Ganz ohne Stalin ging es dann doch nicht. Immerhin hatte Dmitri Schostakowitsch unter den Repressalien des Schlächters und seiner Partei zu leiden. Und so kam auch das Münchner Rundfunkorchester nicht umhin, zum Finale seines Komponisten-Porträts den zweiten Satz der zehnten Symphonie anzustimmen. Jenes kurze, heftige Allegro, mit dem Schostakowitsch den verstorbenen Diktator zu Grabe prügelte. An der Wut des Komponisten ließ im Prinzregententheater auch Dirigent Rumon Gamba (Foto: Kati Leinonen) wenig Zweifel und peitschte das Orchester noch einmal unnachgiebig nach vorne.
Ein ähnlich gutes Gespür hatte der britische Dirigent für den „populären“ Schostakowitsch, der bis dahin das Programm dominierte. Etwa die zum Jahrestag der Oktober-Revolution in Auftrag gegebene „Festliche Ouvertüre“, das Scherzo op. 1 oder die Auszüge aus der Filmmusik zu „Die Stechfliege“. Nicht fehlen durfte die eingängige „Suite für Varieté-Orchester“, in der sich der berühmte langsame Walzer findet. Ein vom Saxofon sinnlich intonierter Tanzschulen-Klassiker, den der Dirigent mit reduzierter Gestik ganz für sich wirken ließ.
Umso expressiver war Gamba in den schnellen Tanz-Nummern über das Podium gezwirbelt. Mit einer Energie, die sich unmittelbar auf das Orchester übertrug. Selbst wenn man in den vorderen Reihen Angst haben musste, im Eifer des Gefechts von einem fliegenden Taktstock aufgespießt zu werden. Gamba sorgte bei diesem kurzweiligen Programm für ordentlich Schwung, gab jedoch auch getragenen Stücken wie dem von Schostakowitsch instrumentierten Vorspiel zu Mussorgskys „Chowanschtschina“ Raum zum Atmen.
TOBIAS HELL