Das darf man wohl ein großes Alterswerk nennen: Im April und Dezember 2023 hat sich der damals 79-jährige Joachim Kühn in seinem Haus auf Ibiza an den Flügel gesetzt, um – ausgehend von 13 Eigenkompositionen – seiner Fantasie freien Lauf zu lassen. Die beiden als Doppel-CD erschienenen Home-Sessions zeigen einen äußerst inspirierten Kühn, der mit viel Eigensinn zwischen dem Formbewusstsein und dem Freigeist seiner Hausgötter Johann Sebastian Bach und Ornette Coleman vermittelt. Zu hören sind die für Kühn typischen wilden Klangstrudel und kaskadenartigen dichten Läufe, aber auch klanginniges Reflektieren, etwa in einem langen Stück für seinen 2022 gestorbenen Bruder Rolf. Jazz? Ja, sicher ist diese weitgehend improvisierte Musik ohne Jazz nicht denkbar, und doch greift sie weit darüber hinaus. Es ist zeitgenössische Klaviermusik, die stilistische Festschreibungen ebenso wie Tonarten mit souveräner Individualität hinter sich lässt.
RUN
Joachim Kühn:
„Èchappée” (Intakt).
★★★★★ Hervorragend