Lebenslange Leidenschaft

von Redaktion

Am Vorabend seines 90.: Albert von Schirnding in der Akademie der Schönen Künste

Mit wachem Witz: Albert von Schirnding. © Jens Hartmann (2)

Er ist da – und wie. In der Bayerischen Akademie der Schönen Künste setzt Albert von Schirnding am Vorabend seines 90. Geburtstags zur Lesung aus seinen Erinnerungen „War ich da? Von Ankünften und Abschieden“ (C.H.Beck, 20 Euro, 128 Seiten) an, blickt vorher kurz auf und sagt: „Wenn Sie nicht g’scheit verstehen, dann machen wir den Lautsprecher aus und ich brülle!“

Viele seiner ehemaligen Schüler sind gekommen. Während des munteren Podiumsgesprächs werden ihnen die Griechisch-Lektionen wieder lebhaft in den Sinn kommen. Kein Wunder – sie hatten einen passionierten Lehrer. Einen, der schwärmt: „Im Griechischen blüht die Dichtung aus der Sprache hervor.“ Einen, der sich gern zwischen seinen beiden Berufen zerrissen hat, weil er weder auf den am Gymnasium lehrenden noch auf den schreibenden und übersetzenden verzichten wollte. „Halbierung ist mein Lebensschicksal“, schmunzelt von Schirnding, denkt dabei auch an den Zwiespalt zwischen katholischem Christentum und dem Humanismus der Antike. An Regensburg, wo er am 9. April 1935 in der Dienstvilla des Vaters vis-à-vis dem fürstlichen Anwesen von Thurn und Taxis geboren wurde, an München, den Ort von Studium wie Lehre, und an das „Paralleluniversum Harmating“, sein Schloss im Isartal.

Von Albert von Schirnding lernen, das heißt: Platon als „Grundbuch des Unsterblichkeitsglaubens“ verstehen und Schuberts Klaviersonate B-Dur, D 960 als „das für mich wichtigste Kunstwerk überhaupt“. Es heißt, von jemandem zu lernen, der sich mit 14 auf den ersten Blick ins Griechische verliebte und eines Tages, als ihn in seiner Waschkammer ein Wasserstrahl traf, erkannte, dass man den Zustand des Nicht-Seins nach dem Tod schon kennt – aus einer Zeit vor der Geburt.

Isolde Ohlbaums Fotos aus den Achtzigerjahren – 1983 wurde er zu seinem „größten Erstaunen“ in die Akademie aufgenommen und ist heute deren längstjähriges Mitglied – zeigen ihn inmitten der damaligen literarischen Akademie-Prominenz unter Abteilungsdirektor Horst Bienek, zu dessen Nachfolger er später gewählt wurde – ein Ehrenamt, das er zwölf Jahre lang schwungvoll ausübte.

Genauso erscheint von Schirnding auch rund 40 Jahre später: mit wachem Witz, großem Wissen und lebenslanger Leidenschaft im scheinbar, weil so souverän geschultert, leichten Gepäck.
TERESA GRENZMANN

Artikel 4 von 8