Der Bariton macht Ballermann

von Redaktion

Jonas Müller über Image-Probleme der Klassik

„Ballermann ist Hochkultur“: Jonas Müller singt morgen im Bergson. © Alfred Hüttinger

„Es soll einfach nur gut gemachte Comedy sein.“ Bariton Jonas Müller interpretiert Ballermann-Hits – hier ein Auftritt von Mia Julia im Bierkönig. © Clara Margais

Es ist eigentlich ein Unding, die Klassik immer nur als „ernste Musik“ zu bezeichnen. Ist eine Rossini- oder Mozart-Oper etwa kein Spaß? Steckt in manchen Liedern von Schubert oder Strauss nicht auch ein ganz eigener Humor? Keine Frage! Und trotzdem gerät auch Jonas Müller schnell ins Schmunzeln, wenn man ihn auf seinen kommenden Auftritt im Bergson anspricht. Gemeinsam mit befreundeten Musikerinnen und Musikern bestreitet der junge Bariton aus Deggendorf hier nämlich am 12. April einen Abend mit dem selbstbewussten Titel „Ballermann ist Hochkultur!“.

Der kreative Kopf hinter diesem augenzwinkernden Programm ist der Komponist Simon Mack, der sich den Spaß erlaubte, Party-Hits wie „Zehn nackte Friseusen“, „Joana“ oder Andreas Gabaliers „Hulapalu“ im Stil von Bach, Brahms oder Schönberg neu zu vertonen. Witzige Parodien, die auf Social Media teilweise Klickzahlen in Millionenhöhe erreichten. Dass ein Liederabend anderen Gesetzen gehorcht als virale Drei-Minuten-Videos, weiß natürlich auch Jonas Müller. „Ich denke trotzdem, dass es gut funktionieren wird. Weil es stilistisch von der Barock-Arie bis zum romantischen Kunstlied geht. Was Simon Mack hier komponiert, hat einfach Qualität und bietet viel Abwechslung.“

Und was die teilweise durchaus deftigen Texte betrifft? „Ja, das ist schon ein bisserl provokativ. Da denkt man sich manchmal, ob man so was wirklich singen darf. Aber als wir mit Simon darüber gesprochen haben, war schnell klar, es soll einfach nur gut gemachte Comedy sein. Damit die Leute auch mal wieder etwas zum Lachen haben.“

Neben dem Ballermann-Abend beschäftigen den jungen Bariton derzeit aber sehr wohl auch tatsächlich ernstere Themen. Etwa gestern Abend, als er bei den Odeon-Konzerten in der Allerheiligen-Hofkirche „Die Sonette des Satans“ interpretierte. Einen Zyklus des in der NS-Zeit verfemten Komponisten Wolfgang Jacobi. „Mein Lehrer Gerold Huber hat mich darauf aufmerksam gemacht, weil er meinte, dass es für meine Stimme gut passen würde. Jacobi ist heute leider ziemlich vergessen. Und es gibt auch keine Aufnahme von diesem Stück. Also bin dann einfach mal in die Bibliothek, um mir das anzuschauen. Allein die Texte, die er hier 1946 kurz nach dem Krieg vertont hat, hauen einen total um. Das war eine echte Entdeckung.“

Dass seine große Liebe vor allem dem Liedgesang gehört, verwundert bei einem Preisträger der Internationalen Hugo-Wolf-Akademie nicht. „Es geht immer um große Gefühle. Und da ist es egal, ob es das neue Taylor-Swift-Album ist oder einer der großen Lied-Zyklen. Ich bin in einem Umfeld aufgewachsen, wo Musik zwar schon eine Rolle spielte, aber man trotzdem nicht regelmäßig in Konzerte gegangen ist. Und als ich meine Familie und meinen Freundeskreis nun mit dieser Musik in Kontakt gebracht habe, waren viele total fasziniert, wie sehr sie das dann doch abgeholt hat. Deswegen sehe ich die Überalterung der Klassik vor allem als Image-Problem. Es liegt nicht an der Musik selbst. In der können auch junge Menschen etwas entdecken, wenn man ihnen Gelegenheit dazu gibt!“

Genau aus dieser Überzeugung heraus rief Jonas Müller 2024 in seiner niederbayerischen Heimat das Ohefest ins Leben. Ein dicht gepacktes Kammermusik-Wochenende für Jung und Alt, das er ab 27. Juni nun zum zweiten Mal in seinem ehemaligen Gymnasium und im Hof der Basilika von Niederalteich veranstaltet. „Die Hemmschwelle, dass man für ein Konzert nach München fährt, ist dort bei den meisten relativ hoch. Aber wenn so was vor der Haustür in legerem Rahmen stattfindet, werden sie doch neugierig. Das hat man letztes Jahr gemerkt, als es durch Mundpropaganda von Tag zu Tag voller wurde. Und das, obwohl wir einmal sogar mit dem EM-Spiel Deutschland-Spanien konkurriert haben.“ Und so blickt er der zweiten Festspiel-Runde durchaus optimistisch entgegen, deren Konzerte Titel wie „Klänge des Friedens“ oder „In Europa Pax“ tragen und einen Bogen von Purcell, Debussy und Mahler bis hin zu Chansons von Friedrich Hollaender schlagen. „Das ist nicht so politisch gedacht, wie es vielleicht klingt. Der Titel ‚In Europa Pax‘ kommt vor allem von den unterschiedlichen Nationen, die hier auf der Bühne zusammenfinden. Natürlich beschäftigen auch wir uns in der Kunst mit Themen, die die Welt bewegen. Aber ohne moralischen Zeigefinger. Da kann sich jeder selber eine Meinung bilden.“
TOBIAS HELL

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