Feinzeichnungen

von Redaktion

Tugan Sokhiev und Vadim Gluzman gastierten beim BR-Symphonieorchester

Leicht und virtuos: Vadim Gluzman. © Marco Borggreve

Eingerahmt von hierzulande Unbekanntem aus Frankreich stand Tschaikowskys Violinkonzert im Mittelpunkt des Abends, zu dem das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks am Donnerstag in die Isarphilharmonie lud. Tugan Sokhiev am Pult und Vadim Gluzman als Solist trumpften dabei keineswegs auf und mieden jedes Klischee, indem sie schon im Kopfsatz auf ein sehr zügiges Tempo und viel Feinzeichnung setzten. Vor allem Gluzman imponierte mit seiner Stradivari durch Leichtigkeit und Virtuosität, die selbst in der Kadenz nicht ausgestellt wirkte. Weltverloren sang er seine Canzonetta, bevor er ins freche Finale hüpfte. Die Holzbläser waren ihm dabei ebenso feinsinnige wie kecke und vorzügliche Partner.

Einen wunderschönen Frühlingsmorgen zauberte Tugan Sokhiev mit den BR-Symphonikern gleich zu Beginn in den Saal. Lili Boulanger schuf ihn zunächst für Violine und Klavier. Noch kurz vor ihrem Tod, 1918, orchestrierte die schwer lungenkranke 24-Jährige das einsätzige Werk. Wenn man hört, wie quirlig und in wie viel zarten Farben der Frühlingsmorgen startet, wie das Vogelgezwitscher sich im ruhigeren Mittelteil ausbreitet und wie heiter und einfallsreich der Morgen endet, dann ahnt man nichts von einer todkranken Schöpferin.

Auch der 1855 ebenfalls in Paris geborene Ernest Chausson wurde nur 44 Jahre alt und vollendete lediglich eine Symphonie. Sokhiev baute das mächtige Konstrukt überlegen und ruhig auf: Das Orchester folgte ihm unter weit gespannten Legato-Bögen in effektvolle Steigerungen, durch ein organisch entwickeltes Auf und Ab. Dabei gefiel neben dem Holz auch das bestens aufgelegte Blech.
GABRIELE LUSTER

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