PREMIERE

Hier ist nichts flauschig

von Redaktion

Emre Akal inszenierte Fassbinders „Katzelmacher“ an den Kammerspielen

Eine fantastische Idee: Emre Akal lässt den ersten Akt in flauschigen Katzenkostümen spielen. Die vorwiegend pantomimischen Szenen lenken den Blick auf die scheinbare Harmlosigkeit – und die brutale Ausgrenzung der zugewanderten Katze. © Neeb

Vor ziemlich exakt 57 Jahren, am 7. April 1968, fand im Münchner Action-Theater, aus dem wenig später das legendäre „Antiteater“ hervorgehen sollte, die Uraufführung von Rainer Werner Fassbinders erstem Bühnenstück „Katzelmacher“ statt. Ein Jahr später wird dem Regisseur, Autor und Schauspieler mit der gleichnamigen Filmversion der ganz große künstlerische Durchbruch gelingen.

Das ist alles sehr lange her, doch die Premiere der Inszenierung von Fassbinders Text am Donnerstag an den Münchner Kammerspielen belegt nachdrücklich, dass das Drama mit dieser nach wie vor extrem artifiziellen, bedrückenden Sprache bis heute rein gar nichts von seiner Aktualität verloren hat.

Im Zentrum der Geschichte befindet sich ein Kreis von acht Erwachsenen, der durch die Ankunft eines Fremden erheblich in Bewegung gerät. Im Film spielte Fassbinder selbst die Figur des Griechen Jorgos, des von allen aufmerksam beäugten Außenseiters. Mit Katzen hatte das einstige Schimpfwort für aus dem Süden Europas stammende Ausländer tatsächlich nichts zu tun. Der Begriff leitete sich wohl aus dem lateinischen Wort für „Kesselmacher“ ab.

Die flauschigen Katzenfiguren, hinter denen sich im ersten Akt des nur eineinhalbstündigen Abends Stefan Merki, Nadége Meta Kanku, Annika Neugart, Annette Paulmann, Leoni Schulz, Anja Signitzer im beigen Plüsch und Edmund Telgenkämper als grauer Zuwanderer verbergen, sind dennoch eine fantastische Idee. Denn einerseits lenken die vorwiegend pantomimischen Szenen den Blick auf die scheinbar niedliche Harmlosigkeit und die friedliche Gemeinschaft der mit zahlreichen menschlichen Attributen versehenen Tierchen. Andererseits vermitteln sie das erbarmungslose Ausgegrenztsein des Neulings, selbst in dieser kuscheligen Atmosphäre, ohne dass Worte nötig sind.

Regisseur Emre Akal, dessen quietschbunte Inszenierung „Göttersimulation“ am Haus noch in bester Erinnerung ist, hat auch diesmal wieder eng mit dem Künstlerduo Mehmet & Kazim Akal, seinem Bruder und seinem Cousin, zusammengearbeitet. Entsprechend poppig und eindrucksvoll ist die Optik dieser aktuellen und gleichzeitig überraschend zeitlosen Dramen-Überschreibung ausgefallen.

Das Ausgrenzen von Menschen, die anders sind, egal ob sie durch Herkunft, Hautfarbe, Sprache oder andere Merkmale aus der Menge herausstechen, nennt man inzwischen Mobbing oder Othering. Die Mechanismen dahinter sind jedoch stets dieselben. Und es sind längst nicht mehr nur Rassisten oder sozial benachteiligte Randgruppen, die Sätze wie „Was will denn der bei uns?“ oder „Eine Ordnung muss wieder her“ und „Da gehören wir her, und sonst nichts“ äußern. Fremdenhass oder Homophobie werden längst quer durch alle Gesellschaftsschichten laut ausgesprochen.

Das illustrieren die Akals aufs Maximalste verdichtet in den verschiedenen Akten in immer neuen Settings und fantastischer Ausstattung (Maske: Sofie Reindl, Mai Strathmann, Raimund Richar-Vetter, Kostüm: Lara Roßwag), die mal an überdimensionierte Kinderzimmer, an U-Boot-Tauchfahrten oder an eine in glänzendes Schwarz und blutiges Rot getauchte Gothic-Orgie mit Apokalypse vor dem Panorama-Fenster erinnern. Eine zwischen Gefängnisgittertür und Höllenportal angelegte Pforte trennt die Szenen voneinander.

Doch egal, wie exotisch, futuristisch oder verspielt das Ambiente auch sein mag – der dahinter liegende Hass, der bleibt in seiner Boshaftigkeit nicht nur gleich. Er wird sogar immer vielstimmiger und lauter. Da erscheint es nur konsequent, dass der von Emre Akal hinzugefügte Epilog vom ohrenbetäubenden Staubsaugerlärm ruiniert wird.
ULRIKE FRICK

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