„Waldmeister“ in Fluten

von Redaktion

Falscher Feueralarm unterbricht Strauss-Premiere am Gärtnerplatztheater

Rund 30 Berufsfeuerwehrler und die Theater-Crew sorgten dafür, den Wasserschaden einzudämmen und zu trocknen – vom Hauptvorhang über den Bühnenboden bis zum Orchestergraben. © GPT

Für 45 Minuten gehörte die Bühne der Feuerwehr und den Technikern des Hauses. © Tobias Hell

Ein falscher Feueralarm löste die Sprühflut-Löschanlage aus: Orchestergraben und Teile der Bühne wurden geflutet. © GPT

Der Schirm von Jeanne (Anna-Katharina Tonauer, mit Daniel Prohaska als Erasmus Friedrich Müller) gehört zur Requisite – und nützte am Donnerstag wenig, als am Gärtnerplatz „Waldmeister“ Premiere feierte. © Marie-Laure Briane

Mehr als ein Dutzend Operetten und eine veritable Oper hat der Walzerkönig Johann Strauss Jr. seinerzeit auf die Bühne gebracht. Dauerhaft im Repertoire gehalten hat sich neben der unzerstörbaren „Fledermaus“ aber nur wenig. Schon gar nicht der „Waldmeister“, von dem selbst Operetten-Freaks kaum mehr als die Ouvertüre und den schmissigen „Trau, schau, wem!“-Walzer kennen dürften. Ein Versäumnis, das man am Gärtnerplatztheater nun zum 200. Geburtstag des Komponisten wiedergutmachen möchte.

Die Handlung folgt natürlich auch hier klassischen Mustern. Der Tenor liebt eine Soubrette. Doch die ist leider bereits mit dem Bariton verlobt, auf den wiederum die Primadonna ein Auge geworfen hat. Und gewürzt mit sittenstrengen Schwiegereltern sowie einem sympathisch schrulligen dritten Liebespaar wird daraus rasch eine typische Wiener Vorstadt-Komödie. Wobei Regisseur und Hausherr Josef E. Köpplinger das Libretto clever adaptierte und die Geschichte nun in den 1950ern verortet.

Die Bühne erinnert da zunächst wieder einmal fatal an einen putzigen Marischka-Film mit Waltraut Haas und dem Hörbiger-Clan. Inklusive Video-Vorspann, der zu den Klängen der Ouvertüre nicht nur den Intendanten prominent als Regisseur, LichtDesigner und Bearbeiter anpreist, sondern auch einen Abend „voller Musik, Charme und Überraschungen“ verspricht. Letzteres erlebte man bei der Premiere am Donnerstag leider wahrhaftig, als mitten im zweiten Akt plötzlich ein versehentlich ausgelöster Feueralarm losging und die Sprinkleranlage Bühne und Orchestergraben flutete. Ein Super-GAU, wie ihn auch Köpplinger in seiner langen Theaterkarriere bislang noch nicht erlebt hatte.

Während das Publikum zu einem gratis Waldmeister-Spritz ins Foyer geschickt wurde, arbeiteten Feuerwehr und Bühnen-Crew auf Hochtouren, damit nach einer guten Dreiviertelstunde die Vorstellung tatsächlich unter großem Jubel weitergehen konnte. Ein Sonderlob gebührt dabei vor allem dem Gärtnerplatz-Orchester, das unter der versierten Leitung von Michael Brandstätter mit den trocken gebliebenen Instrumenten zwar in verkleinerter Besetzung, aber kaum weniger enthusiastisch seinen Dienst fortsetzte.

Da konnten sich oben auf der Bühne also doch noch alle Verwirrungen entwirren und alle Paare zueinanderfinden. Dank der titelgebenden Waldmeister-Bowle, die dafür sorgte, dass im Finale alle Hemmungen und Kleider fielen. Sehr zum Missfallen eines einsamen „Buh“-Rufers, der sich wahrscheinlich wohler gefühlt hätte, wenn die scheinheilig saubere Heimatfilmwelt bis zum Ende gehalten hätte. Wobei Köpplingers Inszenierung gerade in den Momenten am besten funktioniert, in denen er versucht, die bekannten Klischees ironisch zu überzeichnen.

Sichtlich wohl fühlt sich hiermit auch Sophia Keller, die als Operndiva Pauline nicht nur mit agilem Sopran die sinnliche Verführerin rauskehren darf, sondern ebenso den verstaubten Provinzpolitikern mit feministischen Prinzipien Paroli bietet. Damit ist sie eine ideale Partnerin für Bariton Ludwig Mittelhammer, der mit seinen bombensicheren Spitzentönen beinahe seinen Tenor-Kollegen Konkurrenz macht. Und das will etwas heißen. Denn mit Matteo Ivan Rašic hat man am Gärtnerplatz einen wahren Bilderbuch-Operettenhelden am Haus, der sich so geschmeidig durch den Abend schmalzt, dass ihm nicht nur auf der Bühne die Damen zu Füßen liegen. Den Mikroport hätte er da ebenso wenig gebraucht wie der Rest des spielfreudigen Ensembles, das hier wirklich alles gibt, um den spritzigen „Waldmeister“ aus seinem Dornröschenschlaf zu wecken.
TOBIAS HELL

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