UNSERE KURZKRITIKEN

Letzte Alzheimer-Jahre

von Redaktion

Wie erinnert man sich an jemanden, der sich selbst verloren hat? Das Tagebuch „Ich komme nicht aus der Dunkelheit raus“ von Annie Ernaux ist der Versuch, dem Vergessen etwas entgegenzusetzen. Präzise und schonungslos beschreibt die Autorin die letzten Lebensjahre ihrer Mutter, die an Alzheimer erkrankt ist – und die Machtlosigkeit gegenüber dem Verfall eines geliebten Menschen. Ernaux schildert nüchtern und ohne Beschönigung die fortschreitende Krankheit, die Wandlung einer stolzen, eigenständigen Frau hin zu einer Pflegebedürftigen. Die Autorin leidet unter der Tatsache, ihre Mutter in ein Heim gegeben zu haben. Was das Buch so eindrucksvoll macht, ist der unverwechselbare Stil der Autorin: radikal unsentimental, analytisch und zutiefst menschlich. Die Sprache wird für die 84-jährige Nobelpreisträgerin ein Instrument des Widerstands gegen das Vergessen.
SG

Annie Ernaux:

„Ich komme nicht aus der Dunkelheit raus“.
Suhrkamp, 106 Seiten; 22 Euro.


★★★★★ Hervorragend

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