Vertrauensfragen

von Redaktion

Johanna Soller leitete die Matthäus-Passion des Münchener Bach-Chores

Es war eine Matthäus-Passion des Vertrauens mindestens so sehr wie der Trauer, vor allem des Vertrauens dieser Aufführung des Münchener Bach-Chors in den Bibeltext als das Fundament für alles: Eine Geschichte, der sich die Musik ausmalend, kommentierend, nachfühlend andient.

Daniel Johanssens Evangelist war dabei ein Erzähler, der seinerseits wirkungsvoll darauf vertraute, dass in den Worten genug Größe und Heiligkeit steckt, ohne dass man es gar salbungsvoll zelebrieren muss. Passend zu Konstantin Krimmels sehr menschlichem Jesus: Stimmlich licht und standfest war dies ein Heiland, der seine Göttlichkeit nicht zur Schau stellte. Der den Blick fest auf die Prophezeiung hat – und daraus seine Autorität schöpft, aber auch weiß, welch schwere Prüfung ihm bevorsteht.

Kathedraler Weihrauch wehte nur durch die Choräle – wobei der exzellente Bach-Chor sogleich umschalten konnte in seine Rolle als Volksmenge, mit scharfem Spott, klarem Tumult.

Während der Münchner Knabenchor den Cantus Firmus in der ausverkauften Isarphilharmonie wie aus höheren Sphären einschweben ließ. Vertrauen durfte man vollends auch auf die Dramaturgie von Dirigentin Johanna Soller. Sie zeigte anfangs nicht Johann Sebastian Bach, das deutsche Nationalheiligtum, sondern den leichtfüßig-tänzerischen Musikstil-Kosmopoliten, sodass man beinahe fürchtete, es bräuchte wirklich Klage-Nachhilfe, es möge nicht herb genug eingehen.

Doch erwies es sich als klug, nicht allem sofort volles Weltgewicht aufzuladen. So war man am Ende des ersten Teils noch aufnahmebereit für die Gefangennahme Jesu als schockierenden Einschnitt und Höhepunkt. Und erlebte dann einen deutlich kontemplativeren zweiten Teil, in dem die Arien der gut harmonierenden Solisten Flore Van Meerssche, Margot Oitzinger und Magnus Dietrich wahre Innigkeit bekamen.

Konstantin Krimmel durfte liturgisch verfrühte Auferstehung als Solo-Bariton feiern – und dem tadellosen Äneas Humm zwei Nummern ausspannen. Mit Friederike Heumanns Gambe bei „Komm, süßes Kreuz“ als Glanzlicht unter vielen ausgezeichneten Solo-Instrumental-Leistungen.

Ja, am Ende dieses Konzerts saß man mit Tränen nieder – doch erhob man sich voller Zuversicht.
THOMAS WILLMANN

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