PREMIERE

Das war nicht erste Klasse

von Redaktion

„Mord im Orientexpress“ im Deutschen Theater

Fan von Bartträger Hercule Poirot: Kabarettist Volker Heißmann. © ABR-Pictures

Zu Gast aus Köln: Auch Schauspielerin Tanja Lanäus kam zur Premiere. © Tilgner/api

Beschwingt bei der Premiere: Model Giulia Siegel. © Roman BABIRAD

Als Detektiv Hercule Poirot macht „Sketch History“-Star Carsten Strauch eine gute Figur. Leider kann auch er den Abend nicht vollends retten. © Nico Moser

Vorschlag zur Güte: Vielleicht zündet diese Inszenierung von „Mord im Orientexpress“ deshalb nicht, weil man als alter Agatha-Christie-Fan längst weiß, wer in diesem Detektivspiel der Mörder ist. Aber nein, genau das ist ja die Kunst: Ein altbekanntes Stück, eine viel geliebte Geschichte so gekonnt zu erzählen, dass man als Zuschauer bis zuletzt meint, es könnte noch anders ausgehen als gewohnt. Michael „Bully“ Herbig hat’s in seinem Film „Ballon“ (2018) vorgemacht. Derart packend inszenierte er darin die Flucht der Familien Strelzyk und Wetzel aus der DDR nach Westdeutschland mit einem selbst gebauten Heißluftballon, dass die realen Familienmitglieder bei der Filmpremiere meinten, die Flucht misslänge – obwohl sie es ja nun wirklich besser wussten. Um es kurz zu machen: Das gelingt Regisseur Christoph Drewitz mit der Inszenierung von Ken Ludwigs Bühnenadaption des Klassikers „Mord im Orientexpress“ im Deutschen Theater München nicht.

Die Inszenierung gerät zu klamaukig

Aus den von der Bühnendecke herabhängenden, beweglichen Wänden schieben die Passagiere den imaginären Zug zurecht, wuseln darin munter hin und her. Klipp-Klapp-Atmosphäre mit entsprechendem Humorlevel: alles zu laut, alles zu sehr in den Klamauk gezogen. So richtig zünden wollen die braven, meist ziemlich erwartbaren Witze gerade in der ersten Hälfte des Abends an der Schwanthalerstraße nicht. Gleichzeitig scheppert es zu wenig, wenn etwa Gräfin Elena Andrenyi (Yasmina Hempel) dem später ermordet im Orientexpress aufgefundenen Samuel Ratchett (Sebastian Achilles) eine Ohrfeige verpasst. Die Figuren wirken in ihrer Überdrehtheit wie aus einer x-beliebigen Screwball-Komödie gezogen. Schon häufig gesehen, leider dann aber meist: mit mehr Sinn für gutes Timing. Dass auch das nicht immer sitzt, mag an der Premierensituation liegen, manches muss sich noch einruckeln. Das eigentliche Problem aber bleibt: Will man Spaß oder Spannung? Für eine mitreißende Komödie ist der Unterhaltungsfaktor zu dünn, für nervenzehrende Krimi-Momente fehlt der Thrill. So tuckert dieser Abend recht langatmig über die Bühne – mehr deutsche Regionalbahn als Orientexpress.

Daran ändert auch der eigens für die Bühnenfassung komponierte, atmosphärisch dichte Soundtrack nichts. Ebenso wenig wie Carsten Strauch, der in der Rolle des Meisterdetektivs Hercule Poirot mit französischem Akzent ein angenehm unaufgeregtes Pendant in dieser aufgekratzten Truppe gibt. Weil seine analytische Lösung des Falls in der zweiten Hälfte des Abends im Vordergrund steht, nehmen die Albernheiten ab; wenn Drewitz in Rückblenden die Mörder ihre Beweggründe erzählen lässt, wird es gar emotional. Bis zur etwas pathetischen Diskussion um Justiz und Gerechtigkeit am Schluss. Für mehr? War der Zug bereits abgefahren.
KATJA KRAFT

Weitere Vorführungen

bis 4. Mai im Deutschen Theater; Tickets: 089 / 55 23 44 44.

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