Als Taina Tervonen 2010 zum ersten Mal nach Bosnien-Herzegowina fährt, ahnt sie nicht, wie häufig sie in den kommenden zehn Jahren zurückkehren wird. Die französisch-finnische Journalistin ist auf der Suche nach Spuren des Bosnienkrieges, der in den Neunzigern die Region verwüstete. Bei Kämpfen und ethnischen Säuberungen starben über 100 000 Menschen, noch heute gelten 10 000 als vermisst. Tervonen findet ein Land vor, in dem sowohl Täter als auch Opfer über die Gräueltaten „zum Ersticken“ schweigen – und trifft zwei Frauen, die sich darum bemühen, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Die eine birgt Leichen aus Massengräbern, die andere sammelt Geschichten und DNA-Proben von Überlebenden. Trotz der Thematik ist „Die Reparatur der Lebenden“ kein düsteres Buch. Indem Tervonen journalistische Beobachtungen mit persönlichen Eindrücken verwebt, entsteht eine bewegende Lektüre. Behutsam schildert sie die Sisyphusarbeit der beiden, die Toten zu identifizieren, um sie in Würde zu bestatten. Nur dann können auch die Überlebenden zur Ruhe kommen.
COPS
Taina Tervonen:
„Die Reparatur der Lebenden“. Zsolnay, 250 Seiten; 25 Euro.
★★★★☆ Lesenswert