Schokoladenseite gibt‘s hier nicht: Bruce Gilden. © M. Götzfried
Bruce Gilden hat seine Kamera an diesem Abend nicht dabei. Und sagen wir so: Die meisten Gäste des Kunstfoyers werden das nicht besonders schade finden. Denn wenn man sich die Werke des 78-jährigen US-Amerikaners so anschaut, beschleicht einen das ungute Gefühl, dass es vielen der darauf Porträtierten womöglich nicht so gut gefiele, derart in der Welt ausgestellt zu werden. Gilden hat die spontane Momentaufnahme zum Prinzip gemacht. Er hält einfach mit der Kamera drauf und zieht weiter. Nie geht es ihm darum, die Menschen von ihrer Schokoladenseite zu zeigen – eher das Gegenteil. Saure-Gurken-Perspektive.
Wie bei der Strandszene, im Vordergrund der dicke Bauch einer Frau, darüber die schlaffen Brüste. Oder New York City: ein Mann, der auf die Straße fällt, vermutlich betrunken. Noch gnadenloser die großformatigen Bilder, nicht in gnädigem Schwarz-Weiß gehalten, sondern farbig und Hochglanz. Jedes rote Äderchen auf der Nase des Trinkers, jede Sehne der von Drogen ausgezehrten Fixerin, der orangefarbene Schmelz auf den Zähnen des pickeligen Jungen – alles nimmt Gilden erbarmungslos in den Blick. Man könnte sagen, er scheut sich nicht, die Versehrten zu zeigen, zwingt auch uns, die Augen nicht davor zu verschließen. Man könnte aber auch sagen: Gilden liefert sie den Blicken der anderen aus, mit allen Wunden, die das Leben geschlagen hat.
Es ist eine heiß diskutierte Schau, die Museumsdirektorin Isabel Siben von heute an am neuen Ort präsentiert. Wie berichtet, musste das Kunstfoyer die Maximilianstraße wegen Renovierungsarbeiten verlassen. Und lädt ab jetzt am Thierschplatz 6 zu kostenlosen Kunstbetrachtungen. Direkt an der U-Bahn- und Tram-Haltestelle Lehel. Mitten im Leben – mit all seinen schrecklichschönen Seiten.
KATJA KRAFT
Bis 7. September
Täglich 10 bis 18, Fr. bis 20 Uhr, Thierschplatz 6.