So lässt man sich das Varieté-Theater von morgen gerne gefallen: „Stylez“ hat am Donnerstag Premiere in München gefeiert. Die Tänzer kommen aus Kiew, Osaka, Samara und Schweinfurt. © Ralf Mohr
Das Varieté ist eine Kunstform mit langer Tradition und hohem Nostalgiefaktor. Doch selbst hier bleibt die Zeit nicht stehen. Und so versucht sich auch das Münchner GOP Varieté-Theater aktuell an einer Show, mit der man bewusst ein jüngeres Publikum ansprechen will, ohne die Stammgäste dabei ganz aus den Augen zu verlieren. Das Experiment „Stylez“ verbindet dafür klassische Zirkusakrobatik mit Breakdance und versammelt eine bunte elfköpfige Truppe, die man aus Kiew, Osaka, Samara und Schweinfurt rekrutierte. Denn dort im Unterfränkischen liegt den Eingeweihten zufolge das deutsche Breakdance-Mekka. Oder besser gesagt, die Heimat der kreativen Köpfe von DDC, der „Dancefloor Destruction Crew“ rund um Choreograf Alex Aguilar.
Um den Bühnenboden des GOP muss man sich trotz des Furcht einflößenden Namens aber zum Glück keine allzu großen Sorgen machen. Denn zwischen den temporeichen Tanznummern gibt es hier auch viel schwebende Luftakrobatik an den Bändern und am Vertikalseil zu bestaunen. Wobei der Breakdance und die klassischen Zirkus-Disziplinen sich nicht einfach nur revuehaft nebeneinander abspielen, sondern an mehr als einer Stelle miteinander verwoben werden und sich gegenseitig befruchten. Sicher, da ist hin und wieder schon auch etwas routiniertes Füllmaterial mit dabei. Aber ebenso genug technische Spielereien, mit denen man die bekannten Formen ordentlich aufmischt. Erwähnt sei hier unter anderem der Auftritt von Artur Idrisov alias Bboy Archi, der einen emotionalen Pas de deux mit seiner lediglich als Schatten projizierten Partnerin hinlegt. Oder die spektakuläre Eröffnungsnummer des zweiten Teils, in der Breakdancer Poppin’ Pain mit einer rasant getakteten Laser-Installation interagiert. So etwas sieht man tatsächlich nicht jeden Tag auf einer Varieté-Bühne. Aber wenn man an die junge Zielgruppe herankommen will, wird man in den Zeiten der digitalen Reizüberflutung künftig wohl auch hier multimedial nachrüsten müssen.
Was nicht heißt, dass die traditionellen Elemente bei „Stylez“ zu kurz kommen. Ganz oben in der Publikumsgunst steht hier der virtuose Jongleur und Seiltänzer Alexey Glavatskyi, dem der Balance-Akt zwischen Tradition und neuen Impulsen ebenso eindrucksvoll gelingt wie dem „Duo in Motion“, das für seine kraftvolle Hand-auf-Hand-Akrobatik gefeiert wird. Da wird es zwischendurch ganz schön dramatisch. Den Puls der Show geben aber dennoch meist die Herren der DDC vor, bei denen der Humor an erster Stelle steht. Mit einer ebenso eloquenten wie energiegeladenen Körpersprache, die keine großen Worte braucht, um ihre Pointen sicher beim Publikum zu platzieren. So lässt man sich das Varieté von morgen gerne gefallen.
TOBIAS HELL