Botschafter mit Musik

von Redaktion

Daniel Grossmann über sein Jewish Chamber Orchestra

Mit Leidenschaft für die Musik: Vor 20 Jahren gründete Daniel Grossmann sein Jewish Chamber Orchestra. Das Jubiläum wird am Donnerstag im Cuvilliéstheater gefeiert. © Thomas Dashuber

Im Jahr 2005 gründete Daniel Grossmann das Orchester Jakobsplatz München. Wenn man ihn jetzt, 20 Jahre später, fragt, ob er sein Ziel erreicht habe, lacht der Dirigent: „Einerseits haben wir es weit übertroffen, andererseits werden die Ziele natürlich immer höher gesteckt.“ Brachte es das zunächst kleine Kammerorchester im Gründungsjahr auf drei Veranstaltungen, so sind es heuer im Jubiläumsjahr 32. Mittlerweile wuchs der Pool, aus dem das Orchester je nach Projekt seine Musikerinnen und Musiker schöpft, auf 40 professionelle Mitstreiter, die regelmäßig im Einsatz sind. Sie kommen aus aller Herren Länder, darunter sind nur eine Handvoll Juden.

„Wenn wir ein Konzert mit 20 Musikerinnen und Musikern spielen, dann sind sicher 15 Nationen vertreten“, verrät der Dirigent. Es ging ihm nie darum, hauptsächlich mit jüdischen Musikern zu arbeiten, sondern inhaltliche Akzente zu setzen. Die Beschäftigung mit jüdischer Musik und Kultur liegt ihm am Herzen. „Judentum in Deutschland – da denkt jeder direkt an den Holocaust. Dem wollte ich etwas entgegensetzen“, erklärt der 1978 in München geborene jüdische Musiker. Und das gelingt ihm in vielfältiger Weise: In Deutschland, wo das Orchester in vielen Stadt- und Staatstheatern – von Cottbus bis Kaufbeuren, von Stuttgart bis Hamburg – zu Gast ist, aber mittlerweile auch im Ausland. Etwa in Bukarest und Budapest, demnächst in Madrid und Thessaloniki und 2026 in Wien.

Seit 2018 firmiert das Orchester nicht mehr unter seinem Gründungsnamen, sondern als Jewish Chamber Orchestra Munich (JCOM). Das klingt nicht nur internationaler, sondern Grossmann wollte, dass mit dem englischen Namen auch der jüdische Humor aus US-amerikanischen Serien assoziiert wird.

In München hat das Orchester seit einiger Zeit eine fast feste Bleibe: die Kammerspiele an der Maximilianstraße. Heuer präsentiert es sich dort sogar als „Orchestra in Residence“. Nicht nur der (städtische) Theaterraum wird zur Verfügung gestellt, sondern auch die Zusammenarbeit mit Schauspielern, die Grossmann sehr fördert, ist somit gegeben.

Neben der Stadt München und dem Freistaat, den beiden großen Förderern des Jewish Chamber Orchestra, leistet auch der Bezirk Oberbayern einen jährlichen Zuschuss. Gelder aus Stiftungen, von privaten Förderern und aus dem Ticketverkauf stocken die Kasse weiter auf. In diesem Jahr finanzierte die „Stiftung Erinnerung Verantwortung Zukunft“ mit einem hohen Betrag das Sepharden-Projekt. Die „Musik der Sephardim“ – sie lebten im Mittelalter als Wissenschaftler, Künstler, Händler gemeinsam mit Christen und Muslimen auf der Iberischen Halbinsel – wird in zehn Konzerten lebendig.

Dazu gibt es auch ein Projekt mit Kindern und Jugendlichen. Sie werden immer wieder in die Arbeit des Orchesters eingebunden. Zuletzt gab es eine Zusammenarbeit mit dem FC Bayern im Rahmen von „Rot gegen Rassismus“. Ergebnis eines Workshops mit einem Komponisten, Musikern und Jugendlichen war eine Hymne, die von einem aus vielen Schulen bestückten Chor samt Orchester in der Pause eines Basketballspiels vor 6000 Zuhörern aufgeführt wurde – „ein Gänsehaut-Moment“.

Ein jährlicher Höhepunkt seit 2014 ist das Jüdische Neujahrskonzert, bei dem berühmte Kantoren auftreten und das Publikum mit ihrer Gesangkunst beeindrucken. Auch Musiktheatralisches – 2005 startete das Orchester mit Phil Glass’ Oper „The Fall oft the House of Usher“ – taucht immer wieder im Spielplan auf. Im vergangenen Jahr stand die auf Kafkas Erzählung beruhende Glass-Oper „In der Strafkolonie“ auf dem Programm, heuer ist es „Mendele Lohengrin“, hier werden Wagners Klänge mit osteuropäischer Schtetl-Musik kombiniert. Im kommen Jahr folgt Bartoks „Herzog Blaubarts Burg“. „Mir schwebt dabei eine ‚Minimal-Opera‘ vor ohne inszenatorische Effekthascherei und auch orchestral stark reduziert“, erläutert der Dirigent.

Obwohl Grossmann betont, kein Musikwissenschaftler zu sein und auch nicht tagelang in Archiven zu wühlen, gelingen ihm immer wieder interessante Entdeckungen, zum Beispiel für die gerade erschienene CD „Jewish Vienna“. Da interpretiert die Sopranistin Chen Reiss, begleitet vom JCOM unter Grossmanns Leitung nicht nur Lieder von Gustav Mahler und Erich Wolfgang Korngold, sondern auch frisch entdeckte Schätze der Wiener Komponistin Josefine Winter (1873-1943) und des Prager Musikers Alfred Grünfeld (1852-1924), in dessen Familie Mahler als Schüler lebte.
GABRIELE LUSTER

Jubiläumskonzert

am Donnerstag, 20 Uhr, im
Cuvilliéstheater (ausverkauft); weitere Termine und
Informationen unter jcom.de.

Artikel 1 von 11