Skandalnudel Erika Vikman mag’s eindeutig. © dpa
Falsche Italiener: Tommy Cash aus Estland. © dpa
Die Zeit verrinnt: Louane gedenkt ihrer Mutter. © epa
Heiß her geht’s bei den Schweden: KAJ bitten zur Gaudi in die Sauna. © Anders Wiklund / dpa
Wird „Baller“ zum Knaller? Hat ESC-Übervater Stefan Raab doch noch ein Händchen für Erfolg? Mit der guten Startnummer 16 gehen Abor & Tynna an diesem Samstag beim Eurovision Song Contest (ARD, 21 Uhr) in Basel für Deutschland ins Rennen. Im Halbfinale kam die Techno-Party super an, Motto: „Der ESC braucht mehr Songs wie ‚Baller‘.“ Bei den Wettbüros liegt das Wiener Geschwisterduo auf Platz 15. Wer hat die besten Chancen? Wir stellen die zehn Favoriten vor.
Schweden – KAJ: Mit einer Gewinnchance von 40 Prozent liegt das Sauna-Spektakel „Bara bada bastu“ („Lass uns einfach saunieren“) bei den Buchmachern vorne. Die Comedy-Truppe aus dem finnischsprachigen Teil Schwedens verwandelt die Bühne in eine mobile Sauna und sorgt für gute Laune. Malmö, der ESC-Gastgeber 2024, ließ spaßeshalber bereits ausrichten, dass man kein Geld habe, die Show erneut zu veranstalten.
Österreich – JJ: Erst Udo Jürgens, dann Conchita Wurst – und jetzt Johannes Pietsch? Der 23-jährige Countertenor mit der sensationellen Stimme lässt Österreich vom dritten ESC-Sieg träumen. Seine dramatische Ballade „Wasted Love“ ist ganz in Schwarz-Weiß inszeniert – denn hier ist Hinhören wichtiger als Hinschauen. JJ muss jedes Mal nach seinem Auftritt weinen. In Basel könnten es Freudentränen werden.
Frankreich – Louane: Die Franzosen schicken einen Topstar zum ESC. Louane hatte auch in Deutschland schon Hits („Avenir“) und gewann für ihre Rolle im Kinohit „Verstehen Sie die Béliers?“ den Filmpreis César. Ihr Lied „Maman“ widmet sie ihrer verstorbenen Mutter. Eine Sanduhr und jede Menge Sand (der in Wahrheit Kork ist) auf der Bühne symbolisieren das Verrinnen der gemeinsamen Zeit. Wunderschön.
Niederlande – Claude: Der Sänger mit kongolesischen Wurzeln will sein Heimatland rehabilitieren. Denn 2024 sorgte der niederländische Teilnehmer Joost Klein für einen der größten ESC-Eklats: Er durfte wegen angeblicher Belästigung einer Kamerafrau nicht antreten. Claude und sein fröhliches „C’est la vie“ sind garantiert skandalfrei. Schönster Moment: Am Ende sieht er sich selbst als Kind im Spiegel.
Finnland – Erika Vikman: Heuer verstecken die Teilnehmer besonders viele Zweideutigkeiten in ihren Songs. Bei Erika Vikman (sie heißt wirklich so) geht es aber nicht zweideutig zu, sondern eindeutig. Sie turnt bei ihrer Eurodance-Nummer „Ich komme“ auf einem riesigen, funkensprühenden Mikrofon über die Bühne. Kein künstlerischer Höhepunkt, aber die Skandalnudel dürfte es in die Top 10 schaffen.
Israel – Yuval Raphael: Einmal mehr ist der israelische Beitrag ein Politikum. Sängerin Yuval Raphael hat als Besucherin des Nova-Musikfestivals das Hamas-Massaker 2023 überlebt. Nun singt sie auf Hebräisch, Englisch und Französisch von der Hoffnung: „New Day will rise“ („Ein neuer Tag wird kommen“). ARD-Kommentator Thorsten Schorn fand den opulenten Halbfinal-Auftritt zu Recht „beeindruckend“.
Estland – Tommy Cash: Über dieses Lied hat sich Italien so geärgert, dass sogar die Disqualifikation der Esten gefordert wurde. Denn Rapper Cash macht sich in „Espresso Macchiato“ sehr amüsant über sämtliche Italien-Klischees lustig – von Kaffee über Spaghetti und Dolce Vita bis hin zu Opern. Dabei ist alles nur ein großer Spaß. Und die versöhnliche Botschaft lautet: Kaffee bringt die Menschen zusammen.
Albanien – Shkodra Elektronike: So international war der ESC lange nicht. Denn mit Englisch als Einheitssprache aller Songs ist es vorbei. Die Länder zeigen Selbstbewusstsein, in Basel sind 20 Sprachen zu hören. Das albanische Duo Beatriçe und Kolë singt seine Elektro-Folk-Nummer „Zjerm“ („Feuer“) im gegischen Heimatdialekt. Auch dank Startplatz 26 zum Abschluss der Show ist eine Überraschung drin.
Malta – Miriana Conte: Ursprünglich hieß der Song „Kant“ – was nichts mit dem Philosophen zu tun hat, sondern auf Maltesisch „Singen“ bedeutet. Aber natürlich ging es um den englischen Ausdruck „Cunt“ für das weibliche Geschlechtsorgan. Die BBC hätte den Refrain überpiepsen müssen. Nun lautet der Titel „Serving“ – doch die Bühnenshow mit dem riesigen roten Gummiball lässt weiterhin keine Fragen offen.
Italien – Lucio Corsi: Ach ja, um gute Popmusik geht es beim ESC auch noch. Dafür sorgt wie immer Italien. Lucio Corsi liefert mit „Volevo essere un duro“ („Ich wollte ein harter Kerl sein“) einen Mix aus Ballade und Glamrock. Dazu passt sein schillerndes Siebzigerjahre-Styling. Er darf singen, weil Sanremo-Sieger Olly seine Tour nicht absagen wollte. Aber in Italien klingen selbst die Zweitplatzierten wie Sieger.
JÖRG HEINRICH