Ab geht‘s: Eine Limousine ist zentrales Element von „The Master’s Tools“ in der Muffathalle. © Albert Vidal Vertex
Vom Aufbäumen gegen den Tod während der Pandemie erzählt „deader than dead“ von Ligia Lewis im Haus der Kunst. © Albert Vidal Vertex
Zuschauerandrang beim Auftakt von Münchens DanceBiennale 2025. Angekündigt waren vom frisch angetretenen Leiter Tobias Staab: andere theatrale Formate und ein neues Verhältnis zwischen den tänzerisch Bewegten und dem Publikum. Versprochen war uns – da ja ohne Bestuhlung – ein ganzkörperliches Hineingehen in eine Performance. So hat man es tatsächlich beim Ballet National de Marseille X (LA)Horde im Muffatwerk erlebt. Quasi ein Warm-up dazu war vorab die gut einstündige Choreo „deader than dead“ der US-Allroundkünstlerin Ligia Lewis im Haus der Kunst.
Hier erlebte man „Toter als tot“ – allerdings noch auf Stühlen und Sitzkissen: frontal zur Aktionsfläche für zwei Tänzer und eine Tänzerin. Entstanden ist das Stück 2020. Heißt: während der globalen Covid-19-Pandemie, todbringend für viele Afroamerikaner in ärmlichen Verhältnissen. Lewis’ Bewegungs-Regie für dieses Leiden, dieses Sichaufbäumen gegen den Tod ist sicher unterschiedlich deutbar. Dargestellt werden hier jedenfalls ein durchgehend nervliches und muskuläres Versagen, ein Zerbrechen des Körpers – quer über die Bühne, plakatähnlich entlang den umgebenden Wänden, zu zweit oder zu dritt erlöschend am Boden. Obgleich die zugespielten verschiedenen Klangräume atmosphärisch das Bühnengeschehen beleben, empfindet man als Betrachter doch sehr die Wiederholung der choreografischen Muster. Eine Kürzung wäre ein Gewinn an Wirkung.
Dann auf zum Ballet National de Marseille in der Muffathalle. Dichtes Gedränge beim Einlass. Hier fiebern ja nicht nur die Tanz-Habitués, sondern auch die eingefleischten Musik-Fans. Gleich vorne (wo sonst die Zuschauertribühne ist) parkt eine riesige Limousinen-Karikatur.
Ein US-Luxusgefährt? Menschen klammern sich daran fest. Trump-Anhänger oder Gesellschaftskritiker? Hier ist nichts sicher. In der Tiefe der Bühne dann die Choreo „The Master’s Tools“: eine performative Installation, in der Tanz, Musik und Videokunst eine „Ästhetik des Widerstands“ in den Raum donnern. Während hoch oben über der Bühne ein DJ eine Gehör erschütternde Disco-Musik in den hohen Raum schickt, marschieren, trippeln, springen, stampfen die männlichen Mitglieder, ergänzt oft durch die einzige Tänzerin des Ensembles, in dem extrem herausfordernden „Jumpstyle“.
Erfunden und geprägt wurde dieser Stil in den jugendlichen Subkulturen Belgiens und der Niederlande. Das Ensemble formiert sich zu armeeähnlichen Trupps, löst sich wieder auf zu Technik-Wettkämpfen zu zweit. Erkennbar ist da auch ganz viel klassisches Schritt- und Sprung-Vokabular, wie Pirouetten und Grand-jetés – dabei jedoch ohne die geschliffene klassische Allüre. Für diesen Streetstyle werden sich jüngere Zuschauer auf jeden Fall begeistern.
MALVE GRADINGER
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