Was geht denn hier ab? Diese Frage dürften sich die zwei Spaziergängerinnen gestellt haben, die es am Sonntagnachmittag auf die Wiese hinter dem Marstall verschlug. Denn das Bild, das sich bot, muss auf Uneingeweihte im ersten Moment ganz schön kurios gewirkt haben. Menschen, die sich mit Kopfhörern ausgestattet in Liegestühlen und auf Hockern fläzen, während sie Sounddesignerin Diane Barbé beobachten, die mit ihrem Richtmikrofon Geräusche aus Bäumen und Büschen angelt.
Die Performance, die das Residenztheater gemeinsam mit der Climate School der LMU realisiert, nennt sich frei nach Bertolt Brecht „Im Dickicht der Stadt“: eine Reflexion über das in Schieflage geratene Verhältnis von Mensch und Natur. Aber auch eine Art philosophischer Diskurs, eingerahmt durch die „Lyrik der Flechten und Moose“. Kurz: irgendwas zwischen Live-Hörspiel und „Terra X“-Doku. Die einleitende Frage „Wie divers ist diese Wiese?“ ist folglich kein ironischer Kommentar zur Wokeness-Debatte. Es geht vielmehr um Biodiversität, um Artensterben und um neue Ökosysteme in urbanen Grün-Inseln. Wie eben auch auf der zugemüllten Marstall-Wiese.
Für das wissenschaftliche Fundament sorgt Biologin Maria Stockenreiter, die Regisseur Alexander Eisenach im Plauderton erinnert, dass Natur nicht immer schön sein muss. Als Beispiel dient ihr unter anderem das Innere eines Komposthaufens, in den das Publikum dank Kontaktmikrofonen und speziellen Verstärkern hineinhören kann. Akustische Großaufnahmen jener Vorgänge, die sich jenseits dessen abspielen, was wir als Stille empfinden. Wobei das künstlich vergrößerte Knarzen, Knacken und Quietschen oft ebenso schnell wieder vom Lärm der ratternden Tram oder den dröhnenden Glocken der Theatinerkirche übertönt wird.
Es wird spannend, was das Team aus den gesammelten akustischen Eindrücken destilliert. Das Ergebnis ist ab 2. Juni bei freiem Eintritt als Audio-Installation zu hören.
TOBIAS HELL