Dieses Jazz-Fest haut rein

von Redaktion

Der Boxring von Olympia ’72 wird für zwei Tage zur Bühne

„Die Sandsäcke brechen den Schall“: Nick Trachte schwärmt vom Sound in seinem Boxring. © Marcus Schlaf

Wo sonst die Fäuste fliegen, kann man im Boxwerk jetzt Musik genießen. © Boxwerk

Diese Runde geht an den Jazz: Am Mittwoch und Donnerstag kommen international renommierte Musiker nach München – allerdings nicht in einen gewöhnlichen Club. Sie steigen bei Nick Trachte in der Maxvorstadt in den Ring – den originalen der Olympischen Spiele 1972. Bei den ersten „Boxwerk Jazz Tagen“.

Wir erreichen den 51-jährigen Vizepräsidenten des Bayerischen Boxverbands mitten in den Vorbereitungen. „Es ist das erste Mal, dass ein Flügel im Olympia-Ring steht“, sagt er. Piano Fischer hat das Instrument spendiert, aber die Anlieferung ist nicht ohne. Und auch wenn die Veranstaltung professionell sein wird, so macht Trachte aus seiner Aufregung doch keinen Hehl. „Es ist halt eine Herzensangelegenheit.“

Zwischen Jazz und Boxen gab’s immer eine Verbindung. Beides war für Afroamerikaner im vergangenen Jahrhundert eine rare Möglichkeit, sich aus der Armut herauszukämpfen. Schon Dizzy Gillespie war nicht ganz bei der Sache, wenn bei einem Konzert gleichzeitig im Radio ein Kampf übertragen wurde. Miles Davis, der selbst boxte, sagte: „Im Boxen ist Stil genauso wichtig wie in der Musik.“ Und Schwergewichts-Champ George Foreman fand: „Boxen ist wie Jazz. Je besser es ist, desto weniger können die Leute damit anfangen.“

Trachte kann erklären, was damit gemeint ist. Dass es beim Boxen eben nicht nur auf publikumswirksame Prügel ankommt, sondern auf Takt, Koordination – und noch vieles mehr. So wie beim Jazz. Denn der Münchner hat zwei Leidenschaften – den Kampfsport und die Musik. Dass er beides verbinden will, ist nicht neu: Seit 15 Jahren macht er seine Box-Bude zur Bühne. „Ich will Welten zusammenbringen, die auf den ersten Blick nicht zusammenpassen.“ Es gab bereits Vorstellungen mit Opernsängern, Stand-up-Comedy-Shows („Punchlines“), Talkrunden, sogar Kunstausstellungen. Und: die monatlich stattfindenden Live-Sessions namens „Uppercut Jazz“.

Aus denen hat sich nun das Festival entwickelt. „Die Künstler kamen von sich aus auf mich zu“, sagt Trachte. Offenbar hatten Jazzer, die im „Boxwerk“ spielen, die Kunde in die Welt getragen. „Plötzlich bekam ich Anfragen aus New York.“ Und da fragte nicht irgendwer: Misha Piatigorsky etwa, der am Mittwoch mit seinem Projekt Daddy Rabbit auftritt, gastierte gerade erst im legendären Club „Ronnie Scott’s“ in London. „Er sagte, er sei scharf auf spannende Spielorte.“

Und der Boxring von 1972 ist natürlich so einer. Ein Trainer zur Ausbildung hatte Trachte vor ein paar Jahren den Tipp gegeben: Bei Passau schlummere das gute Stück in einer Scheune. Trachte überzeugte die Niederbayern vom Verkauf – seit etwa vier Jahren tänzeln Münchner Boxer zwischen den geschichtsträchtigen Seilen. Und jetzt eben auch Jazzer.

Eröffnen wird die „Jazz Tage“ das Trio Prepared – Bassklarinettist Florian Riedl begeisterte vor einer Woche erst mit Dreiviertelblut im Circus Krone. Am Donnerstag spielt das Quartett um Pianist Tino Derado, davor sitzt Bota Zakir am Flügel – Poet James E. Kenward trägt dazu Texte vor.

Es gibt eben nichts, das es nicht gibt in Nick Trachtes Ring. Maximal 199 Zuschauer fasst das Boxwerk – er wird bei den Shows wohl draufzahlen. Aber darum gehe es ihm ja auch nicht, sagt er. „Es ist halt eine Herzensangelegenheit.“
JOHANNES LÖHR

„Boxwerk Jazz Tage“

Karten und weitere Infos unter www.boxwerk.de.

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