Mit vollmundigem Ton: Sol Gabetta. © Oliver Killig
50 Jahre nach seinem Tod ist Dmitri Schostakowitsch allgegenwärtig – eine Folge der ritualisierten Jubiläumskultur des Klassikbetriebs. Beim Gastspiel der Sächsischen Staatskapelle Dresden in der Münchner Isarphilharmonie stand am Sonntagabend sein bittersüßes Konzert für Violoncello und Orchester Nr. 1 auf dem Programm. Sol Gabetta, deren zierliche Erscheinung täuscht, spielt es mit kompromissloser Präsenz: durchsetzungsstark im Ton, differenziert in der Gestaltung. Ihr Klang überstrahlt nicht nur mühelos das Orchester, sondern trägt auch allein. Besonders eindrücklich in der Kadenz des dritten Satzes kostet sie fragmentierte Stille geduldig aus, bevor sie in entfesselter Virtuosität losstürmt.
Gabettas vollmundiger Ton harmoniert hervorragend mit dem des Traditionsorchesters von der Semperoper. Der „Glanz von altem Gold“, mit dem Karajan den „Dresdner Klang“ einst adelte, entfaltet sich nach der Pause in Anton Bruckners Symphonie Nr. 7. Die Staatskapelle modelliert die monumentale Architektur dieser Musik mit großer Klarheit. Die Blechbläser-Passagen dröhnen nicht – sie leuchten in kontrollierter Wucht. Auch die mächtigen Tutti geraten nie zur bloßen Lautstärke, sondern entwickeln eine wohldosierte Überwältigungsästhetik. Eindrücklich ist dies vor allem im Kontrast zu den Ruheräumen der Partitur, die das Orchester spannungsvoll auskostet, ohne sie zu bloßen Atempausen zu degradieren.
Großen Anteil daran hat Tugan Sokhiev. Der Dirigent organisiert den riesigen Klangkörper ohne Taktstock, aber mit präziser Gestik und wacher Aufmerksamkeit für Details und Übergänge. Er kommuniziert intensiv mit den tragenden Instrumenten(gruppen), stets im Dienst des musikalischen Ganzen. Denn Sokhiev ist kein Taktzähler, sondern ein Gestalter von Stimmungen, Dynamiken und Spannungsverläufen – immer dort, wo die Musik tatsächlich spielt. So wirkt der massive Bruckner kein Gramm zu schwer.
ANNA SCHÜRMER