Zu Gast im Deutschen Theater München: Romy Schneider und Alain Delon während der Ballsaison. © Deutsches Theater
Eine Tanzszene jagt die nächste: Stolze 19 Nummern bringt Choreograf Enrique Gasa Valga in seiner 90-minütigen Hommage „Romy“ unter. © Birgit Gufler
Es ist immer ein Wagnis, bekannte historische Persönlichkeiten auf die Bühne zu bringen, vor allem, wenn sie so verehrt und heiß geliebt sind wie Romy Schneider – auch 43 Jahre nach dem viel zu frühen Tod der deutsch-französischen Schauspielerin. Enrique Gasa Valga hat sich mit seiner gleichnamigen Innsbrucker Tanzkompanie getraut und am Todestag der Filmlegende „Romy“ ins Deutsche Theater gebracht. Nach „Der große Gatsby“, „Frida Kahlo“ und „Lágrimas Negras“ ist es dessen vierte Produktion, die Geschäftsführer Thomas Linsmayer nach München holt.
Getanzte Biografien tragischer Figuren gelingen dort gut, wo bildende Kunst und Musik hinter dem Menschen im Fokus stehen. Schwieriger ist es dagegen, Personen auf die Bühne zu bringen, deren Kunst es ist, sie selbst zu sein – in zahllosen Facetten und Nuancen: etwa Romys unvergleichliche Präsenz und Aura, ihre Stimme und Choreografie der Blicke, die bis heute in Großaufnahmen erlebbar sind. Vielleicht ist es da für den Tanz eine besondere Herausforderung, eine gelungene Hommage zu realisieren, da er dem Schauspiel zu ähnlich ist und sich dem direkten Vergleich stellen muss. Die elfengleiche Interpretin Camilla Danesi erinnert vor allem an eine andere cineastische Stil-Ikone, Audrey Hepburn, deren Zerbrechlichkeit Gasa Valga in seiner Inszenierung zelebriert – Romy Schneiders Stärke, Selbstbefreiung und Komplexität geraten da zur Nebensache.
Insgesamt beeindruckt der aktuelle Tanztheaterabend weniger als intensives Kammerspiel einzelner Individuen, etwa Schneiders großer Liebe Alain Delon (Gabriel Marseglia), sondern als historisches Kostüm-Spektakel – atmosphärisch angesiedelt zwischen „Moulin Rouge“ und „Babylon Berlin“: Petticoats schwingen, schimmernde Abendkleider rascheln und auch die männlichen Tänzer machen im schwarzen Smoking eine ausnahmslos gute Figur. Eine Tanzszene jagt im optisch schönen Ambiente revueartig die nächste, Chansons der superben Sängerin Greta Marcolongo erklingen.
Stolze 19 Nummern bringt der Choreograf im gerade mal 90-minütigen Abend auf die Bühne, womit Gasa Valga vieles erzählt – sehr vieles – im Schnelldurchlauf: Im Zentrum steht die problematische Beziehung zwischen Romy und ihrer ehrgeizigen Schauspieler-Mutter Magda Schneider (Lara Brandi), die ihrer Tochter nicht nur das verhasste „Sissi“-Image aufdrängt, sondern vor allem mit den Nazis sympathisiert und auf der Bühne plakativ zu wehender Hakenkreuz-Fahne zum Hitlergruß ansetzt. Es sind solche biografischen Schwergewichte, die Gasa Valga mit gar zu leichter Hand auf die Bühne bringt, ohne weitere Vertiefung oder Kontextualisierung. Romys erster Ehemann, der jüdische Harry Meyen (Martin Segata) – ehemaliger KZ-Häftling –, erhängt sich in einer Filmeinblendung; Sohn David (Matthew Humphreys) spießt sich auf herabgelassener Scheinwerfertraverse auf.
Bewegend gestalten sich Szenen dort, wo zitierte Schicksalsschläge des Filmstars Raum zur Entfaltung erhalten. Eindrucksvoll sind Momente, in denen man Romy Schneider selbst erlebt, anhand eingeblendeter Fotocollagen, ihre Stimme aus dem Off in Filmszenen oder Interviews hört – dort, wo man der Charakterdarstellerin begegnet, fernab von Kitsch und Klischee. Der Schlussapplaus im Deutschen Theater fällt frenetisch aus: Das Publikum tobt und feiert Enrique Gasa Valga mit Standing Ovations. Was sich am Premierenabend vor allem zeigt? Der Mythos Romy Schneider lebt.
ANNA BEKE
Weitere Vorstellungen
bis 8. Juni;
Telefon: 089/55234 444.