Katzen mit Charakter

von Redaktion

Das legendäre Musical „Cats“ kommt ins Deutsche Theater nach München

Anmut auf Pfoten: Am 11. Juni hat „Cats“ Premiere in München. © Allessandro Pinna

Der Probenraum des Alford House Youth Club in London birst vor Energie nur so über. Darsteller eilen mit grazilen Schritten über die dunklen Holzdielen, an den Seitenrändern dehnen sich manche im Spagat. Als Pianoklimpern einsetzt, verwandelt sich das lebhafte Geplauder zu leisem Fauchen, mit Katzenbuckel schleicht das Ensemble plötzlich durch den Raum. Je mehr sich die Musik hochschraubt, desto rasanter werden die Bewegungen. Noch blitzen Silberkettchen und Tattoos unter den Trainingsklamotten hervor, doch auch ohne Kostüme besteht kein Zweifel, was hier gerade geprobt wird. Die Jellicle-Katzen tummeln sich wieder auf dem Schrottplatz – und bald auf der Bühne des Deutschen Theaters in München.

Bis zu der Premiere von „Cats“ am 11. Juni ist es an diesem Freitagvormittag im März jedoch noch eine Weile hin, die Katzenfelle hängen unberührt an der Garderobe. Massagerollen und Wasserflaschen liegen verstreut herum, während einer kurzen Pause nuckeln die Darsteller gedankenverloren an ihren Getränken. Inmitten des Gewusels steht Chrissie Cartwright und gibt Anweisungen. Seit 1986 ist die britische Choreografin eng mit dem Stück verbunden. Sie wisse gar nicht, an wie vielen Produktionen sie mitgewirkt habe, erzählt sie kurz davor in einem separaten Zimmer, irgendwann habe sie aufgehört zu zählen. „Langweilig wird es trotzdem nicht“, sagt sie und lacht. 1981 in London uraufgeführt und mit Preisen überhäuft, gilt „Cats“ als eines der erfolgreichsten Musicals weltweit. Andrew Lloyd Webber komponierte die Musik, noch heute besitzt seine Firma die Aufführungsrechte. Diese lassen keinen Interpretationsspielraum, jede Produktion muss sich an die Vorgaben der Originalfassung halten. Inhalt und Choreografie haben sich demzufolge all die Jahre nicht verändert.

Chrissie Cartwright entdeckt trotzdem immer etwas Neues, jeder neue Cast verleihe dem Musical einen frischen Anstrich, sagt sie im Gespräch. Auch sei die Handlung zeitlos. Basierend auf einer Gedichtsammlung des Dramatikers T. S. Eliot, spielt „Cats“ auf einem Schrottplatz im London. Als die Dunkelheit einbricht, versammeln sich die Jellicle-Katzen zu ihrem alljährlichen Ball. Im Verlauf der Nacht soll Anführer Old Deuteronomy eine Katze auswählen, die zur Wiedergeburt in den Himmel aufsteigen darf. Nach und nach treffen die verschiedensten Charaktere ein, doch als Grizzabella dazustößt, wird sie von der Sippe verjagt, zu heruntergekommen wirkt die einstige Glamourkatze. Sie klagt bitterlich über ihr Schicksal – der Song „Memory“ erlangte über die Musicalbühne hinaus Kultstatus – und versucht immer wieder, die Gruppe von sich zu überzeugen. Bei Morgengrauen trifft Old Deuteronomy dann eine überraschende Entscheidung.

Für Chrissie Cartwright gehe es bei „Cats“ um Toleranz und Erlösung. „Anderen vergeben zu können“, sagt sie: „Das ist etwas, das wir heute dringender denn je brauchen.“ Auch Lucy May Barker, die Darstellerin von Grizzabella, sieht es ähnlich. „Die zentrale Botschaft von ,Cats‘ ist Akzeptanz“, sagt sie nach der Probe im Nebenraum. Die Verkörperung der verstoßenen Glamourkatze gehe ihr auch persönlich nahe. Als Frau über 30 habe sie in der Musicalszene mit ähnlichen Problemen wie Grizzabella zu kämpfen, mit zunehmendem Alter gebe es für sie immer weniger Rollen.

Niedergeschlagen sieht sie trotz der ernsten Worte nicht aus, gelassen sitzt Barker neben zwei weiteren Darstellern auf einem Stuhl und baumelt mit den Beinen. Einer der beiden trägt ein T-Shirt mit dem berühmten Logo, von seinem Bauch blinken gelbe Katzenaugen entgegen. Viele Mitglieder des Ensembles kennen sich schon von vorherigen Produktionen, tourten mit „Cats“ bereits durch die Welt. Die Stimmung an diesem Freitagvormittag ist – zumindest nach außen hin – gut, die drei feixen miteinander und fallen einander spielerisch ins Wort. Alle bezeichnen es als „Kindheitstraum“ und „große Ehre“, zum Cast zu gehören, Russel Dickson (Munkustrap) hingegen fügt den erwartbaren Floskeln noch weitere Gedanken hinzu. Manchmal fühle er sich etwas unsicher auf der Bühne, denn „wenn man die Kostüme wegdenkt, sieht man Erwachsene, die so tun, als wären sie Katzen“ sagt er mit einem schalkhaften Lächeln. „Aber wenn es sich albern anfühlt, ist es wahrscheinlich genau richtig.“
SOPHIA COPER

Vorstellungen in München

vom 11. bis 22. Juni;
Karten unter 089/55 23 44 44.

Artikel 8 von 11