Gute alte Routine

von Redaktion

Lahav Shani dirigierte die Philharmoniker

Dass die Chemie zwischen den Münchner Philharmonikern und Lahav Shani stimmt, daran dürften nur die wenigsten zweifeln. Immerhin bescherte der designierte Chefdirigent dem Publikum beim Vorglühen in der laufenden Saison schon die eine oder andere Sternstunde. Umso mehr war man daher irritiert, als nun zum Pfingstwochenende offenbar die gute alte Routine der noch jungen Beziehung erstmals ein Bein stellte.

Dies zeichnete sich schon bei György Ligetis „Atmosphères“ ab, bei denen die Einsätze der Streichergruppen nicht immer so homogen gelangen, wie es die Komposition zur Entwicklung ihrer potenziellen Sogkraft bräuchte. Und eine ähnliche Uneinigkeit herrschte in Igor Strawinskys Violinkonzert. Einem Werk aus der neoklassischen Phase des Komponisten, der sich in vier Sätzen auf höchst unterhaltsame Weise an traditionellen Formen abarbeitet. Was den Solisten Leonidas Kavakos dazu veranlasste, daraus gleich eine musikhistorische Lehrstunde zu machen. Durch den erhobenen Zeigefinger und lange Pausen standen die einzelnen Sätze jedoch eher isoliert nebeneinander und ließen den großen Bogen vermissen. Ein Eindruck, der dadurch verstärkt wurde, dass zwischen Geiger und Dirigent über weite Strecken ein eher einseitiger Dialog geführt wurde und Kavakos oft vorausgaloppierte.

Mehr innerer Zusammenhalt stellte sich mit der zweiten Symphonie von Johannes Brahms ein. Hier zeigte Shani vor allem im Adagio, wie viel Kraft sich aus innerer Ruhe schöpfen lässt, während die beiden folgenden Sätze wieder hemdsärmeliger daherkamen. Aber gerade bei einem solch viel gespielten Klassiker reicht es eben nicht, sich nur darauf zu verlassen, dass man selbst die Partitur mindestens so gut kennt wie die traditionsbewussten Philharmoniker. Denn mehr als Routine war es eben leider nicht, was man an diesem Abend in der Isarphilharmonie erlebte. Vor allem wenn man weiß, wozu dieses Orchester und vor allem auch Shani fähig sind. TOBIAS HELL

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