Intim wie ein Clubkonzert

von Redaktion

John Legend gibt sein einziges Deutschland-Gastspiel in der Olympiahalle

Gut gelaunt und sehr präsent: John Legend kehrte mit dem Programm zu seinen Anfängen zurück. © Martin Hangen

Manchmal kann Dunkelheit gnädig sein: Nur rund 3300 Fans kamen in die Olympiahalle. © Martin Hangen

Seine Konzerte, sagt John Legend, wirken wie ein Aphrodisiakum. Eigentlich könne nach so einem Abend nichts mehr schiefgehen. Ein Blick ins Publikum genügt: Pärchen aller Altersgruppen liegen sich verliebt in den Armen. Während der Amerikaner langsam über die Bühne groovt, auf der Suche nach einer Tanzpartnerin für „Slow Dance“ – und in Zuschauerin Eva fündig wird. Es hätte viele Damen gegeben, die diesen Tanz gerne mit John Legend getanzt hätten.

Beim einzigen Deutschlandkonzert seiner „Get lifted – The Anniversary Tour“ trifft der 46-Jährige am Samstagabend, man muss es leider sagen, auf eine überschaubar gefüllte Olympiahalle. Zum Einlass öffnen die Veranstalter nur den Ost-Eingang, schwarze Vorhänge sollen die leeren Ränge kaschieren. Rund 3300 Fans sind gekommen. Und die, auch das muss man sagen, erleben einen betörenden Abend voller Soul und großartigem R&B. Zwei Stunden, in denen John Legend zu seinen Anfängen zurückkehrt, seine Geschichte und Geschichten erzählt.

Von Wegbegleitern wie Lauryn Hill, für deren Song „Everything is Everything“ er Klavier spielte. Von Kanye West, bei dessen Label er seinen ersten Plattenvertrag bekam. Einst ein Rap-Star, heute maximal umstritten, weil der Ex-Mann von Kim Kardashian regelmäßig mit antisemitischen Ausfällen auffällt. „Ja, es ist kompliziert“, beschwichtigt Legend vereinzelte Buh-Rufe. Und: „Wir vermissen den alten Kanye.“ Begleitet werden die Erinnerungen von ganzen Songs und Songschnipseln wie Alicia Keys’ „You don’t know my Name“ oder „American Boy“ von Estelle.

Legend wird begleitet von einer herausragenden sechsköpfigen Band und drei Backgroundsängerinnen. Die Damen ergänzen seine samtig-weiche Stimme mit ihrem Harmoniegesang perfekt, glänzen solo, nehmen sich an den richtigen Stellen stimmlich zurück. Ein bisschen Licht, ein bisschen Nebel, der Rest ist Musik.

Schon beim ersten Lied, „Let’s get Lifted“, ermuntert der Sänger sein Publikum, aufzustehen und mit ihm zu tanzen. Falls ihn die leeren Ränge bekümmern, lässt es sich der Profi keine Sekunde anmerken. John Legend ist gut gelaunt, er ist präsent, und seine Stimme vollbringt vielfach in den Höhen Unglaubliches. Ein bisschen schade ist es trotzdem, dass der Mann, der zu den wenigen Trägern der vier größten Showbiz-Preise – Emmy, Grammy, Oscar, Tony – gehört, sein Können nicht mehr Besuchern zeigen durfte. Oder aber man betrachtet es als Glücksfall, dass der Auftritt beinahe intimen Charakter hatte. Der Jubel des Publikums, aber auch die seligen Gesichter der Zuschauer, die sich nach der Zugabe mit „All of me“ und „Live it up“ auf den Heimweg machen, sagen mehr aus als eine gefüllte Halle. Was für ein wunderschöner, betörender Abend.KATHRIN BRACK

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