Das Kreischen ist ohrenbetäubend. „Oh mein Gott, oh mein Gott“, trillert eine junge Frau, die Stimme überschlägt sich vor Aufregung. Wer denkt, ab einem gewissen Punkt wäre Euphorie nicht mehr steigerungsfähig, hat die Fans von Tate McRae noch nicht erlebt. Die 21-Jährige wird, flankiert von Security aus den Katakomben der ausverkauften OIympiahalle, auf die kleine Seitenbühne geführt. Geschmeidig huscht McRae, die den knappen Body gegen einen weißen Oversize-Pulli und einen Hauch von Fransenrock getauscht hat, auf die Plattform. Die Sängerin badet in der Geräuschkulisse, die sie bereits neun Songs lang ausgelöst hat.
Im Grunde spielt es keine Rolle, was der Superstar aus Kanada tut. Jede Geste, jede Bewegung wird begleitet vom Jubel des mehrheitlich weiblichen Publikums. Die Begeisterung ist beileibe auch nicht unberechtigt. Allein die Aufmachung der „Miss Possessive“-Tour mit mehreren Bühnen auf mehreren Ebenen und einer innovativen Kameraführung, durch die man ganz nah dran ist, ist groß.
Und dann ist da natürlich das Tanzen. Tate McRae ist eine hervorragende Tänzerin mit einer unglaublichen Körperbeherrschung. Auch ihre Crew, sechs Männer und zwei Frauen, wissen genau, was sie tun. Dass bei den Routinen, die schweißtreibend sein müssten und doch bei der Sängerin keinerlei Spuren hinterlassen, der Gesang vom Band unterstützt wird: egal. Es ist einfach zu viel geboten an Artistik, Ästhetik und klar: Musik. Die klingt teilweise leicht übersteuert – der Toningenieur muss aber auch gegen die Stimmen von über 11 000 Fans ankommen.
Ruhiger wird es nur, wenn es auch die Sängerin ruhiger angehen lässt. Bei Titeln wie „You broke me first“ oder „Greenlight“, die sie auf der Nebenbühne performt. Doch sobald Tate McRae (die den Abend mit „Greedy“ standesgemäß beendet) erklärt, dass sie deutsche Wurzeln hat und schon mehrfach in München war, ist er wieder da. Der ohrenbetäubende Jubel.KATHRIN BRACK