Wir machen Ernst

von Redaktion

Philipp Stölzl über seinen „Brandner Kaspar“ am Resi

Philipp Stölzl inszeniert die Neufassung von Franz Xaver Kroetz. © Archiv

„Wir erzählen das Stück nicht als Volkstheaterkomödie“: Günther Maria Halmer als Brandner (li.) und Florian von Manteuffel als Boanlkramer. Premiere ist am Samstag. © SANDRA THEN

Er hat Videoclips für Madonna und Kinofilme wie „Der Medicus“ gedreht. Heute bringt er große Opern auf die Bühne, seine siebenstündige Inszenierung „Das Vermächtnis“ am Residenztheater war zum Berliner Theatertreffen eingeladen. Jetzt wagt sich der Regisseur Philipp Stölzl an einen Mythos heran: 25 Jahre nach dem Ende des legendären „Brandner Kaspar“ am Residenztheater inszeniert der gebürtige Münchner dort eine neue Adaption des bayerischen Über-Dramas. „Gschichtn vom Brandner Kaspar“ heißt das Stück, das kein Geringerer als Franz Xaver Kroetz verfasste, Günther Maria Halmer ist die Starbesetzung für die Titelrolle.

Was hat Sie an dem Stoff gereizt?

Mein Vater ist vor zwei Jahren relativ überraschend gestorben, das war für mich ein riesiger Einschnitt, weil wir ein enges Verhältnis hatten. Da ist dieses Thema Tod und Jenseits, um das es ja auch im Stück geht, plötzlich sehr präsent geworden, und irgendwie tut es gut, sich damit künstlerisch zu befassen. Ohne dass ich sage, jetzt mach’ ich den „Brandner Kaspar“ genau deswegen. Aber es ist so eine Stimmung oder Zeit in meinem Leben, in der man merkt: Je älter du wirst, desto weniger abstrakt ist der Tod. Da denkt man sich: Wie ist das mit dem Metaphysischen? Was kommt danach? Wie viel Hoffnung hast du? Und da ist natürlich dieses ikonische Volksstück erst mal eine tolle Fragestellung dazu.

Ist man als erfahrener Regisseur ein bisschen befangen, wenn man an so einen bayerischen TheaterMythos herangeht?

Die ganze Kunst ist ja eine Geschichte von Übermalungen und Neudeutungen. Du nimmst einen bekannten Stoff und wirfst ein ganz anderes Licht darauf. So war es auch, als Intendant Andreas Beck auf mich zukam und sagte, er möchte den „Brandner“ noch mal machen, aber dabei neu erzählen, nicht als Volkstheaterkomödie wie bei Kurt Wilhelm, sondern eingedampft auf essenzielle Themen. Ohne das Komödien-Räderwerk mit all den Nebenhandlungen, reduziert auf wenig Personal. Und da hat er glücklicherweise Kroetz gewinnen können, die Neufassung zu schreiben. Ein tolles, kraftvolles Stück!

Also wird es eher eine Tragödie als eine Komödie?

Das Komische ist nicht komplett weg, aber wir versuchen erst mal, das Drama plastisch zu machen, also das Existenzielle nach vorne zu holen. Insofern treten wir auch überhaupt nicht in Konkurrenz zum sehr komödiantischen „Brandner“, der seit 20 Jahren am Volkstheater läuft. Das ist mir wichtig, wir präsentieren eine ganz andere Lesart.

Was ist der Brandner bei Ihnen für ein Charakter?

Bei uns ist er weniger der gewitzte, bauernschlaue Zocker, der den Tod über den Tisch zieht, sondern eher ein Berg von Mann, der sich abarbeitet an den eigenen Grenzen, die das Alter dem Körper setzt – eine ideale Rolle für Günther Maria Halmer. Unser Brandner ist einer, der ein bisschen faustisch gegen sein Schicksal und den lieben Gott rebelliert.

Sie machen ja auch das Bühnenbild. Wollen Sie darüber etwas verraten?

Das ist alles mit gemalten Kulissen – ein bisserl ein Altöttinger Papiertheater, was wir da entfalten, denn Altötting war tatsächlich meine Inspiration. Ich liebe besonders die Gnadenkapelle, die von oben bis unten mit diesen Votivbildern in naiver Malerei voll ist – irre schön! Hinter jedem dieser tausend Bilder steckt eine faszinierende Geschichte, die eben davon erzählt, dass es auch Wunder gibt und dass es auch das Gute gibt. Das finde ich anrührend. Diesen Votivbild-Stil haben die Malerwerkstätten bei unserem Bühnenbild toll hingekriegt.

Und in Sachen „Madonna“ haben Sie ja ohnehin Erfahrung…

(Lacht.) Das ist natürlich lange her, dieses Video, fast wie aus einem anderen Leben. Aber tatsächlich bin ich katholisch aufgewachsen, war Ministrant und weiß deshalb: Es gibt eine große Schnittmenge zwischen Katholizismus und Theater. Diese Lust an Bildern und Zauberei – das ist schon sehr mystisch. Und das andere ist das Angebot einer Jenseitsvorstellung oder der Vorstellung, da sei etwas, das über uns wacht, ob man das jetzt eine Kraft nennt oder die Mutter Maria oder was auch immer. Das hat etwas sehr Liebevolles.

Empfinden Sie es ein bisschen als Rückkehr zu den Wurzeln, dass Sie jetzt in Ihrer Geburtsstadt den „Brandner“ inszenieren?

Je älter man wird, desto mehr spürt man ja diese Heimat in sich. Von daher bin ich gerne hier, auch wenn ich schon lange in Berlin lebe mit meiner Familie. Zudem hat Kroetz das Stück in starkem Dialekt geschrieben – eine Melodie, die für mich eine große Wärme hat. Man sagt ja, Heimat ist eine Landschaft in der Seele oder auch ein Klang; und das macht tatsächlich etwas mit einem.

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