Andris Nelsons leitete mit Umsicht die Münchner Philharmoniker. © Sebastian Widmann/mphil
Um Unwirkliches, nicht Greifbares, um Träume oder gar Halluzinationen ging es Andris Nelsons und den Münchner Philharmonikern im Konzert am Freitagabend in der dicht besetzten Isarphilharmonie. Dabei rahmten die Franzosen Claude Debussy und Hector Berlioz Richard Wagners „Wesendonck-Lieder“ ein. Das Publikum genoss das überaus stimmige Programm, auch wenn es diesmal keine Entdeckungen oder Überraschungen, sondern Wohlbekanntes bot.
Der weiche, warme Klang der Streicher und die üppig besetzten, wunderbar phrasierenden und schattierenden Holzbläser samt Harfen schufen unter Nelsons behutsam formenden Händen genau jene Stimmung zur Stunde des Pan, die der Impressionist mit seinem „L’Après-midi d’un Faune“ beschreibt – geradezu entmaterialisiert.
Bestens dazu passten Wagners „Wesendonck-Lieder“, die ja auch nicht ganz von dieser Welt sind. Nelsons bereitete mit den Philharmonikern die klangsinnliche Umgebung, in der Rachel Willis-Sørensens wohlgerundeter Sopran aufblühen durfte. Ob in zarter, schwebender Höhe oder in satter Mittellage, stets überzeugte die – trotz Blick in die Noten – dem Publikum zugewandte Sängerin mit kultivierter Stimmgebung, stilvoller Phrasierung und Textgestaltung. In den aufgewühlten „Schmerzen“ ebenso wie in den Tristan-nahen „Träumen“. Nelsons schmeckte die orchestrale Begleitung gekonnt ab und verstand sich auf das „Sehrende“ bei Wagner.
In Berlioz’ „Symphonie fantastique“ bewiesen die Philharmoniker noch einmal zu welcher Homogenität (Streicher!), zu welcher Farbigkeit und Intensität sie fähig sind. Nelsons begegnete der Vielgestaltigkeit mit klarem Aufbau, riskierte starke dynamische Kontraste, trieb das Grelle schon im Walzer und erst recht im fratzenhaften Marsch und im Hexensabbat auf die Spitze. Dabei imponierte auch das Blech (zwei Tuben) mit drohendem „Dies Irae“. Und immer wieder meldeten sich die zuletzt besonders gefeierten Holzbläser(-Solisten), und die unerreichbare Geliebte tauchte als „idée fixe“ in vielerlei Gestalt auf. Langer und großer Jubel für Dirigent und Orchester.GABRIELE LUSTER