„Tatort“-Kritik: Schweizer Fall ist unrealistisch

von Redaktion

Passen sich der schwachen Performance von Buch und Regie an: Anna Pieri Zuercher (li.) und Carol Schuler. © SRF

Ein gut komponiertes Spiel mit Licht und Sound, dynamische Kameraführung, das Ganze nachts – dieser „Tatort“ beginnt mit hohem Tempo, alles läuft auf den Tod einer jungen Frau zu. Doch schon bei den ersten Szenen am Tatort am Morgen danach ist der Thrill dahin, die Leiche auf dem Baum ist nicht das einzige unfreiwillig Komische an „Rapunzel“, dem neuen Fall der Schweizerinnen Isabelle Grandjean (Anna Pieri Zuercher) und Tessa Ott (Carol Schuler).

Es geht um das Geschäft mit Perücken aus Echthaar, die Menschen, die ihr eigenes Haar – aus welchen Gründen auch immer – verloren haben, „ihre Würde zurückgeben“. Haare als der Stoff, mit dem man reich werden kann, als rares, teures Gut, das Menschen Amok laufen lässt, sie zu Mördern macht, wenn es ihnen abhandengekommen ist? Das ist, nun ja, ziemlich an den Haaren herbeigezogen, jedenfalls in diesem Drehbuch von Adrian Illien. Dass Heinrich Vogel (Sebastian Rudolph) deswegen durchdreht, zwei jungen Frauen nachstellt, ihren Tod in Kauf nimmt, ist als Motiv absolut unglaubwürdig.

Und auch sonst sieht dieser Film wie ein schlecht sitzendes Toupet aus, es fließen von Anfang bis Ende reichlich falsche Tränen, Regisseur Tobias Ineichen müht sich vergeblich, den Charakteren tiefe, glaubhafte Gefühle zu entlocken. Er könnte auch versuchen, auf einer Glatze Locken zu drehen. Einzig Stephanie Japp als Perückenmacherin Aurora Schneider haucht ihrer Figur ein bisschen Leben ein, als sie von ihrem Unfall erzählt. Die Actionszenen, einschließlich des finalen Stunts sehr frei nach Rapunzel – zum Haareraufen!

Anna Pieri Zuercher und Carol Schuler, die Blonde und die Brünette, passen sich der schwachen Performance von Buch und Regie an, bürsten ihre Dialoge angestrengt gegen den Strich – ohne Erfolg. Da ist man schon dankbar für die halbwegs originellen Szenen rund um Noah Löwenherz’ (Aaron Arens) Schnauzbart. Aber das ist zu wenig! Schnitt!RUDOLF OGIERMANN

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