Durchknallen mit Stil

von Redaktion

Igor Levit, Antonio Pappano und die BR-Symphoniker führen Busonis Klavierkonzert auf

Ideales Duo: Igor Levit (re.) mit Antonio Pappano. © S. Vogl

Nichts geht mehr nach 75 Minuten. Igor Levit hat fertig und klappt lächelnd den Tastendeckel zu – während Dirigent Sir Antonio Pappano, selbst exzellenter Pianist, ironisch andeutet: Ob er stattdessen die geforderte Zugabe…? Ein Monster liegt hinter allen, hinter der Hundertfünfzigschaft auf der Bühne und dem Publikum in der Isarphilharmonie. Ferruccio Busonis Klavierkonzert ist eine fünfsätzige Maßlosigkeit, ein Scharnierwerk zwischen Franz Liszts wuchernden Tondichtungen und Gustav Mahlers „Symphonie der Tausend“. Kaum aufgeführt, selten eingespielt – wer rennt schon freiwillig den Everest hoch?

Levit und Pappano haben das Trumm bereits beim Leipziger Gewandhausorchester gestemmt, man versteht sich also. Vor allem in einer Sache: Von der Hochvirtuosität zur Karikatur ist es hier nur ein kleiner Schritt. Gerade weil Levit wie immer nicht als Klangmeißler unterwegs ist, kommt dies der Deutung zugute. Wobei der Kopfsatz, in dem das Klavier „nur“ donnernde Läufe und Akkordbrechungen zum erhitzten Orchesterpart liefert, schon ungewollte Komik birgt. Andere Pianisten mögen das scharfkantiger, mit gehärtetem Ton spielen, Levit bevorzugt eine Attacke mit gerundetem Klang. Und entlockt dem Stück ungeahnt Subtiles, auch Humor. Das Skurrile des zweiten Satzes (ohnehin „giocoso“ von Busoni gefordert) hört man heraus, bei Levit nähert es sich manchmal um die Ecke und auf Samtpfoten. Den dritten Satz fasst er auf als schlichtes XXL-Lied ohne Worte, bevor es in der folgenden Tarantella kein Halten mehr gibt. Das klingt verrückt, aber mit Eleganz, auch durchgeknallt, aber mit Stil.

Eine lässige Souveränität (trotz schwitzender Musik) durchzieht diese Aufführung. Auch im Finale mit den Männern des BR-Chores, die plastisch die „ewige Kraft“ samt Allah beschwören. Kurz vor dem Pathos-Alarm ist das. Und nicht erst hier wird klar: Pappano erweist sich als der perfekte Dirigent für das Werk. Weil er als Opernmann überlegen disponiert, weil er mit dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks (BRSO) in die Vollen geht, aber die Zügel straff hält. Und weil er ein Sensorium hat für die farbliche Überfülle, sich aber nie darin verliert. Das ist druckvoll musiziert, jedoch nie Imponiergehabe oder billiger Effekt. Ehrenrettungen klingen wohl so – noch einmal an diesem Samstagabend.MARKUS THIEL

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