Krake greift nach dem Schiff „Allianz Arena“: das Tour-Shirt-Motiv für München.
Vorfreude auf Guns N’ Roses: Fans am Freitagnachmittag auf dem Weg in die Allianz Arena. © Martin Hangen
Slash, die nächste Generation, vor der Arena. © Martin Hangen
Nur ein Archivfoto: Trotz Protest des Journalistenverbands waren Fotografen beim Konzert in der Allianz Arena nicht zugelassen. Unser Bild zeigt Axl Rose (li.) und Slash bei einem Konzert in Madrid. © LERENA/EPA/REX/Shutterstock
Man könnte die Geschichte dieses Konzerts von Guns N’ Roses über die Sonnenbrillen erzählen: Wann welcher der Herren auf der Bühne die seine abgesetzt hat – und was das über die Stimmung in diesen drei Stunden verrät. Man kann aber auch noch mehr ins Detail gehen, zu den Lippen von Slash. Die Videoleinwände in der Münchner Allianz Arena machen es möglich mitzuverfolgen, wie dieser großartige Gitarrist seine Soli quasi selbst kommentiert. Mitunter scheint es, als halte er Zwiesprache mit seinem Arbeitsgerät. Bei manchem ist zwar der Lack ganz schön angekratzt – nicht so der Ton. Der 59-Jährige ist an diesem Freitagabend in ausgezeichneter Spiellaune. Ja, manchmal hippelt und hüpft er über die Bühne wie ein Kind, das endlich zeigen will, was es draufhat. So einiges: da eine kurze, wunderbare Passage bei „Mr. Brownstone“ gleich zu Beginn. Dort dann ein fantastisches Solo, das knietief im Blues beginnt, der durch das Rund walzt und stampft. Hier führt Slash, der bei der Vorstellung der Band von den Fans frenetisch und sehr laut begrüßt wird, in wenigen Minuten einmal quer durch die Rezeptionsgeschichte seines Instruments. Und selbst bei den großen Hits der Hardrocker aus Kalifornien, etwa bei Nummern wie ihrer Version von Bob Dylans „Knockin’ on Heaven’s Door“, die nach dem ersten Drittel zum Mitsing-Spektakel wird, sollte nicht überhört werden, wie elegant Slash die Töne aus den Saiten perlen lässt.
Auch das weniger bekannte Material ist spannend – selbst bei Stadionkonzerten wie diesem wird das klar. Und der Reiz liegt in Details wie dem Jimi-Hendrix-Outro bei „Civil War“. Dabei haben Guns N’ Roses natürlich (fast) alle Klassiker im Gepäck, als sie um 19.48 Uhr die Bühne in der Allianz Arena mit „Welcome to the Jungle“ entern. „You could be mine“, „Sweet Child o’ mine“, das unvermeidliche (und – zugegeben – auch unverwüstliche) „November Rain“, zum Finale um 22.45 Uhr geht’s dann mit dem „Nighttrain“ in die „Paradise City“. Kurzum: Die Gruppe aus Los Angeles sorgt für eine druckvolle Premiere des Fußballtempels als Konzert-Location. Eine Premiere, bei der auch der Ort überzeugt. Die Fans zwischen fünf und 75 Jahren feiern zu Recht.
Die Stimmbänder von Axl Rose, beim Auftritt zwei Tage zuvor in Düsseldorf offenbar noch stark strapaziert, halten in München. Nicht alles ist sauber zu verstehen – ob’s am Frontmann liegt oder an der Mischung, ist schwer auszumachen. Der 63-Jährige tigert jedenfalls hin und her, deutet Hüftschwünge an und rollt mit den Augen: Er ist eine Schau. Und damit das Gegenteil von Duff McKagan am Bass. Doch täusche man sich nicht an der stoischen Ruhe, die der 61-Jährige ausstrahlt! Und lasse man sich nicht verwirren vom Hinweis „Lame“, der auf seiner Lederweste steht. Lahm ist in seinem Spiel nichts – es bringt mitunter herrlich rotzigen Punk in den Sound. McKagan und der neue Schlagzeuger Isaac Carpenter (aufmerksam wie ein Luchs hinter seinen Trommeln) wuchten ein sattes Fundament an Rhythmus in die Arena und bereiten so den Boden für ihre Kollegen und für ein tolles, langes Konzert.
Slash setzt seine Sonnenbrille an diesem Abend übrigens nicht ab. Natürlich nicht. MICHAEL SCHLEICHER