„Tanz und Tanzen ist mehr als Arbeit“: Paul Lightfoot und Sol León kuratieren heuer „Sphären“. © Miljana Bernal
Unter anderem zu sehen: „Still After“ von Eliana Stragapede und Borna Babic mit Marina M. Gomez und Pablo Martinez. © ProbenFoto: Miljana Bernal
Choreografieren – erfinderische Tätigkeit reifer, arrivierter Ballettchefs? So war’s in der Vergangenheit. Durch die freie Tanzszene, aktiv endlich auch mit weiblicher (!) Kreativität, hat sich da doch einiges getan. Sogar die klassischen Ballettensembles öffnen sich für neue choreografische Anregung. „Sphären“, praktisch ein Entdeckungs- und Förderprogramm des Bayerischen Staatsballettchefs Laurent Hilaire, geht am 27. 6. im Münchner Prinzregententheater in die dritte Runde.
Nach Marco Goecke 2023 und Angelin Preljocaj im vergangenen Jahr kuratiert heuer das seit 2020 weltweit erfolgreich freischaffende Duo Sol León & Paul Lightfoot. Das Paar tanzte im Nederlands Dans Theater (NDT), choreografierte dort ab 1989. Lightfoot übernahm schließlich von 2011 bis 2020 die Leitung mit Sol León als künstlerischer Beraterin. Noch frisch in Erinnerung ihr zu Jahresbeginn im Münchner Nationaltheater gefeierter Abend mit den Choreografien „Silent Screen“ und „Schmetterling“. Zum Auftakt für das aktuelle „Sphären 03“ haben sie hier zwei eigene Stücke von 2003 einstudiert – das von Gertrude Stein inspirierte Duo „Shutters Shut“ und die zu Franz Schubert entworfene Sechs-Personen-Choreo „Subject to Change“.
Danach sieht man Werke der von ihnen „empfohlenen“ Choreografen. Das sind Pau Arans Gimenos „Seeking the truth“ und die beiden Kreationen „Still After“ von Eliana Stragapede & Borna Babic und Dimo Milevs „In Fragments“. Wird man nun hier, wie Ballettchef Hilaire es hofft, Elemente einer möglichen tänzerischen Sprache der Zukunft entdecken? Die Premiere wird es vielleicht weisen. Haben León & Lightfoot ihren Kandidaten bei der choreografischen Erarbeitung geholfen? Nein, beteuert León, sie hätten die „Sphäre“-Kandidaten lediglich vorgeschlagen. Es seien reife Persönlichkeiten zwischen 30 und 46. Bei der Wahl dieser Tanzschaffenden seien gewisse Werte wichtig gewesen – die Liebe zum Metier, qualitätvolles und authentisches Arbeiten.
Aber dann äußert sich Sol León doch noch zu ihrer persönlichen Auffassung von Tanz und ihrer eigenen künstlerisch-pädagogischen Einstellung. „Tanz und Tanzen ist mehr als Arbeit – es ist für den, der sich dieser Kunst widmet, Teil seines Lebens. Im Tanz muss man lernen, sich in einem bestimmten Moment auszudrücken, sich anderen Menschen mitzuteilen.“ Und Lightfoot ergänzt: „Aber sich dabei nicht nur als Tänzer oder Tänzerin zu empfinden, sondern als menschliches Wesen. Jeder hat doch einen ganz eigenen Charakter, kann im Tanz leuchten, so wie er ist.“
Das sind ganz klar die kreativen Ideen des NDT. Deshalb kurz ein Blick zurück in die Geschichte dieser Compagnie. Im Jahr 1959 verließen 22 Tänzer das Nederlands Ballett in Amsterdam und gründeten in Den Haag das auf die Tanzmoderne ausgerichtete Nederlands Dans Theater. Und natürlich schwärmt Lightfoot gleich von den großartigen Choreografen, die das NDT bald weltberühmt machten: „Ja, das waren Hans van Manen, Jiri Kylián, der langjährige Leiter des NDT, Mats Ek, Ohad Naharin und Willam Forsythe. Später holte ich auch Marco Goecke ins NDT.“
Eine goldene Ära, in der ja auch 1978 das NDT II gegründet wurde für die jüngeren Ensemblemitglieder, 1991 das NDT III für die ältere, aber noch topfitte Generation. Ein bisschen wehmütig klingt seine Erinnerung. Aber der zeitgenössische Tanz ruht nicht, lebt weiter. Findet neue Formen – die wir vielleicht jetzt bei „Sphären 03“ entdecken.M. GRADINGER
Premiere
im Prinzregententheater ist am Freitag um 19.30 Uhr, weitere Vorstellungen am 28. und am 30. 6. Karten unter 089/ 2185-1920 oder unter tickets@staatsoper.de.