Seit 2024 ist Asher Fisch musikalisch verantwortlich für das Festival. Akustisch hat er im Festspielhaus schon einiges umgekrempelt. © Kreativ Kartell
Derzeit steckt er mitten in den Proben für seinen ersten Sommerdurchgang unterm Kranzhorn. Asher Fisch, Chefdirigent des Tiroler Festspielorchesters, hat in Erl bereits einiges umgekrempelt. Der gebürtige Israeli, Jahrgang 1958, lebt mit seiner Familie in der Nähe des Inntals.
Ist Erl in jeglicher Hinsicht ein Heimatfestival?
Absolut. Dass ein Dirigent einen Job bekommt, der 35 Minuten von seinem Haus entfernt liegt, ist sehr, sehr selten. Ich finde das wunderbar, das gab auch mit den Ausschlag, warum ich das Angebot angenommen habe. Es ist ja nicht so, dass ich deswegen nicht mehr reise. Ich fliege zum Beispiel viermal pro Jahr nach Australien, wo ich das West Australien Symphony Orchestra leite. Aber ansonsten bedeutet Reisen für uns Dirigenten: ständig vor anderen Orchestern stehen, sich darauf einstellen müssen – das ist manchmal nicht so leicht.
Vom Repertoire her lassen Sie sich nicht unbedingt festlegen. Trotzdem: Was passt nicht zu Ihnen?
Um meinem australischen Orchester ein Profil zu geben, habe ich mich vor allem auf Musik des 19. und 20. Jahrhunderts konzentriert. Ich dirigiere keinen Barock. Ein einziges Mal habe ich Bachs Johannes-Passion dirigiert. Da gibt es ja Chöre wie die wütenden Juden mit ihren „Kreuzige, kreuzige“-Rufen – das war seltsamerweise ein Kindheitstraum. (Lacht.) Heute brauche ich das nicht mehr. Belcanto muss auch nicht unbedingt sein.
Einige Orchestermitglieder dürften Wagners „Parsifal“, den Sie Ostern hier dirigiert haben, noch nie gespielt haben. Macht das größeren Spaß, weil es keine, vielleicht falschen Traditionen gibt?
Oh ja! Es ist wie eine Befreiung – auch wenn bei komplizierten Partituren sicher die Erfahrung hilft. Ich habe es bei „Parsifal“ jedenfalls als großen Vorteil erlebt. Mein bestes „Parsifal“Erlebnis war in Neapel, wo das Orchester null Ahnung hatte. Und man hat im Saal jedes gesungene Wort verstanden, weil die Italiener nicht dachten, sie müssen jetzt wie die Berliner Philharmoniker auftrumpfen. Sie spielten stattdessen mit ihrem Belcanto-Klang.
Sie dirigieren in diesem Sommer unter anderem „Les Préludes“, die Tondichtung von Franz Liszt war die Erkennungsmelodie der deutschen Wochenschau im Zweiten Weltkrieg. Hat man so etwas noch im Hinterkopf?
Ich finde den Wagner-Boykott in Israel sehr seltsam, das basiert alles auf Ignoranz. „Les Préludes“ dagegen könnte ich in Israel spielen. Die große Mehrheit dort hat keine Ahnung, wofür dieses übrigens hervorragend komponierte Stück verwendet wurde. Vor 20 Jahren mag das anders gewesen sein. Mir geht es prinzipiell um die Musik. Meine Mutter ist für mich immer das beste Beispiel. Sie hatte ihre ganze Familie verloren und ist mit 17 Jahren nach Palästina ausgewandert. Einmal war sie in Wien, als ich an der Staatsoper Wagners „Parsifal“ dirigiert habe. Das war für sie ein großartiges Erlebnis: dass ihr Sohn, der in Jerusalem geboren ist, nun dort am Pult ausgerechnet mit diesem Werk steht. Deshalb: Lasst uns doch weitergehen und die Dinge differenziert betrachten. Ich dirigiere auch Pfitzner – wenn ein Komponist ein Nazi war, dann er. Trotzdem ist „Palestrina“ ein herausragendes Werk.
Ist alles eine Generationensache? Wird in Israel irgendwann Richard Wagners „Ring des Nibelungen“ aufgeführt?
2012 wollte ich Wagner in Israel aufführen und habe dafür extra Musikerinnen und Musiker für ein Ensemble zusammengesucht. Aber wir fanden keinen Aufführungsraum, nicht einmal in einem Hotel. Keiner wollte uns. Deshalb habe ich diese Bemühungen aufgegeben. Aber wer weiß, was die Zukunft bringt…
In Erl haben Sie akustische Veränderungen vornehmen lassen.
Ich hatte immer Probleme mit der Akustik im Festspielhaus. Sogar Kammerorchester wirkten zu groß, die Gesangsstimmen klangen nicht gut. Grell und lauter als normal. Bei den Winterfestspielen haben wir den betonierten Orchestergraben an einer Seite mit Stoff auskleiden lassen. Das half nur ein bisschen. Der Bühnenraum ist sehr groß und offen. Für „Parsifal“ haben wir die Segel über der Bühne mit Stoff bedeckt. Im Graben wurde ein Gummiteppich ausgelegt, auch die andere Seite wurde verkleidet. Das hat alles viel gebracht. Jetzt können wir besser mit größerer Dynamik arbeiten.
Sie wollen in Erl eine Opernschule gründen. Wie steht es damit?
Ich reise ja sehr viel und stelle fest: Es gibt kaum Kurse für Operndirigate. Junge Kolleginnen und Kollegen fragen mich: Wie und wo soll ich lernen, wie man zum Beispiel „La bohème“ dirigiert? Wie gehe ich am besten mit den Sängerinnen und Sängern um, wie helfe ich ihnen? In Erl möchte ich junge Dirigentinnen und Dirigenten mit jungen Sängerinnen und Sängern zusammenbringen. Dafür muss ich Gelder finden, die außerhalb unseres normalen Budgets liegen. Aber das wird schon.
Die Tiroler Festspiele
unter der Intendanz von Jonas Kaufmann starten am 3. Juli. Infos zum Programm und zum Vorverkauf unter tiroler-festspiele.at.