Der Graf als Gräfin

von Redaktion

Mit Rossinis „Barbier von Sevilla“ gelingt der Pasinger Fabrik ein Wurf

Hosenrollen sind in der Oper keine Seltenheit. Vom Barock bis Richard Strauss sind wir es gewohnt, dass der strahlende Held gern auch mal in Mezzo- oder Sopranlage seine Abenteuer bestreitet. Und trotzdem stutzt man beim „Barbier von Sevilla“ in der Pasinger Fabrik ein wenig, wenn man den Besetzungszettel liest: In der kurzweiligen Inszenierung von Florian Hackspiel ist Graf Almaviva diesmal eine verliebte Gräfin auf Brautschau. Ein Twist, der erstaunlich gut funktioniert. Weil Karolína Plicková nicht nur ihr komödiantisches Talent voll und ganz ausspielen kann, sondern die Rolle trotz vieler Slapstick-Elemente so natürlich und ehrlich empfunden verkörpert, dass man Almaviva vom ersten Moment an alles Glück der Erde wünscht.

Wobei es natürlich nicht schadet, dass auch die Chemie mit ihrer Rosina stimmt. Plickovás dunkel gefärbter Sopran ergänzt sich ideal mit dem hellen Mezzo von Victoria Grilz, die in ihren Arien Koloraturen am laufenden Meter produziert. Und das, obwohl die deutsche Übersetzung den Belcanto-Ohrwürmern zuweilen ein Bein stellt.

Das Liebespaar lässt sich davon ebenso wenig aus der Bahn werfen wie Ivo Kovrigar. Er verkörpert unter dem Namen „Figarossini“ quasi den Komponisten selbst, der sich unter der Maske des Barbiers in die Handlung seiner Oper einmischt. Als eine Art Puppenspieler, der die Kontrolle über seine Schöpfungen verliert. Stimmlich gibt der Bariton die Zügel keine Sekunde aus der Hand und führt die Ensembles souverän an. Neben ihm gibt Jan Bukowski als Basilio mit höhensicherem Bass den Fels in der Brandung, an dessen versteinerter Miene die Späße und Streiche ebenso abprallen wie am Don Bartolo von Philipp Gaiser. Als genretypischer Griesgram darf er bei seinen Einlagen auch mal bei Mozart wildern und sich in der köstlich komischen Gesangsstunde ins Falsett hochschrauben.

Aber mit dem authentischen Belcanto-Klang nimmt es das Arrangement von Dirigent Jörg-Oliver Werner und Dirigent Andreas P. Heinzmann sowieso locker – wenn das Orchester auf ein Streichquintett plus Flöte und Marimbafon reduziert wird. Trotzdem oder gerade deswegen ist den Pasingern hier nach einer Durststrecke wieder ein Wurf gelungen.TOBIAS HELL

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