Gäbe es eine deutsche Meisterschaft im Kuschelrock, Revolverheld hätten Jahr für Jahr allerbeste Chancen auf den Titel. Zahlreiche Balladen der Band laufen im Radio rauf und runter, die Nordlichter erspielten sich so eine riesige Fanbasis. Umso erstaunlicher war es, dass die Band 2024 auf einer Clubtour plötzlich zurück zu ihren Wurzeln fand und mit einem neuen, härteren Sound experimentierte (wir berichteten). Nun sind Revolverheld zurück in München, um in der gut gefüllten Tollwood-Musikarena das Jubiläum ihrer ersten Festivaltour vor 20 Jahren zu feiern.
Musikalisch ist wieder alles beim Alten, die sanften Herzschmerz-Songs dominieren am Mittwochabend das Programm. Den Fans gefällt‘s natürlich, bietet die Band doch Musik für die ganze Familie. Bei Songs wie „Ich lass für Dich das Licht an“ sieht man Pärchen jeden Alters eng aneinandergeschmiegt dastehen, während bei „Ich werde nie erwachsen“ der Nachwuchs enthemmt mithüpft.
Zum 20-Jahre-Jubiläum erscheint ein Best-of-Album, auf dem die alten Lieder in ruhigeren Versionen enthalten sind. So ist es auch live, denn bei den eigentlich schnellen Songs sind die Gitarren nur wenig zu hören, Sänger Johannes Strate packt stattdessen das Tamburin aus. Doch die Ecken und Kanten vermisst an diesem Abend niemand, an dem die Melancholie überwiegt – wie bei „Liebe auf Distanz“. „Wir haben euch einen bunten Blumenstrauß an Emotionen mitgebracht, wie Howard Carpendale sagen würde“, witzelt Johannes Strate.
Zu zahlreichen Songs gibt es Hintergrundgeschichten und Anekdoten, Revolverheld zeigen sich sympathisch und nahbar. Und zeigen vollen Körpereinsatz: Mit den ersten Zeilen von „Immer noch fühlen“ taucht Strate ab in die erste Reihe der Fans, wo ihn lautes Kreischen empfängt. Bei „Lass uns gehen“ fliegen riesige Bälle durch das Zelt und werden begeistert immer wieder nach oben geworfen.
Nach fast 150 Minuten Spielzeit verabschieden sich Revolverheld. Noch nicht für immer, aber doch für eine längere Zeit: „Wir nennen es ein Gap Year“, grinst Johannes Strate auf der Bühne. 2026 soll es keine Konzerte geben, ein Ende der Auszeit ist offen. Er bekräftigt aber noch einmal, dass die Band auf jeden Fall in den nächsten Jahren wiederkommt.MICHAEL HELLSTERN