Andreas Bieber ist einer der Stargäste. © Marie Liebig
Ein phänomenales Ensemble vom Theater Regensburg um Gäste wie Wietske van Tongeren (Mi.) garantiert für diesen Musical-Erfolg. Regie führte der Regensburger Intendant Sebastian Ritschel. © Marie Liebig
Alle, die den 11. September 2001 miterlebt haben, wissen, wo sie an diesem Tag waren oder wann sie die ersten Bilder des einstürzenden World Trade Centers sahen. Und ja: Im ersten Moment scheint es schon etwas pietätlos, ausgerechnet über dieses Ereignis ein Musical zu schreiben. Doch derartige Befürchtungen lassen sich nach der Premiere von „Come from away“ am Deutschen Theater zum Glück schnell zerstreuen.
Das mehrfach preisgekrönte Stück von Irene Sankoff und David Hein erzählt nämlich keineswegs von den Schrecken in Manhattan, sondern führt uns nach Neufundland. In das kleine Städtchen Gander, wo nach der Sperrung des amerikanischen Luftraums plötzlich 38 Flugzeuge stranden und die Bevölkerung sich über Nacht beinahe verdoppelt. Aber natürlich tun die Kanadier das, was man aufgrund ihres klischeehaften Heiligenscheins erwartet. Sie organisieren Notunterkünfte, nehmen Familien in ihren Häusern auf und kümmern sich rührend um die knapp 7000 Menschen, die aus der Ferne kamen. Ungeachtet von Religion, Hautfarbe oder Partnerwahl.
Wobei das Musical sehr wohl ironisch durchblicken lässt, dass die auf wahren Ereignissen beruhende Geschichte zuweilen leicht geschönt ist. Wenn etwa eine Hausfrau von ihrem Flirt mit dem sexy Piloten singt, dann aber flott von der Nachbarin korrigiert wird, die diese „heiße Affäre“ als eher einseitige Schwärmerei wahrgenommen hatte. Und dies bleibt nicht der einzige Perspektivwechsel. Denn das zwölfköpfige Ensemble des Theaters Regensburg verkörpert hier eine gefühlt dreistellige Zahl von Charakteren und springt dabei ohne große Kostümwechsel zwischen den jeweiligen Rollen hin und her. Dass man die zentralen Figuren trotzdem nie aus den Augen verliert, ist einerseits der klar strukturierten Inszenierung des Regensburger Intendanten Sebastian Ritschel zu danken, der sich eng an der Broadway-Produktion orientiert. Vor allem aber dem phänomenalen Ensemble mit Stargästen wie Wietske van Tongeren, Andreas Bieber oder Patricia Hodell. Die Truppe, die man hier versammelt hat, glänzt nicht nur in den komödiantischen Momenten, die sich beim Aufeinandertreffen verschiedener Nationen ergeben, sondern auch wenn es emotional ans Eingemachte geht. Wie etwa bei Masengu Kayinda als besorgter Mutter oder bei Jogi Kaiser und Maria Mucha, die im Schatten der Tragödie auf ihre alten Tage noch einmal eine neue Liebe finden.
Die Sprache, die sie alle verbindet und schon bald zu Freunden werden lässt, ist da natürlich die Musik, bei der es Andreas Kowalewitz und seine Band mit stampfenden Folk-Rhythmen ordentlich krachen lassen. Ein etwas anderes Musical, das einen jedoch mit der beruhigenden Botschaft entlässt, dass sich mit gegenseitiger Solidarität jede Krise meistern lässt.TOBIAS HELL