Klangrausch mit Ambiente

von Redaktion

Die BR-Symphoniker brillieren bei „Klassik am Odeonsplatz“

Der eine wuchtet, der andere hält die Fäden: Pianist Daniil Trifonov und Dirigent Franz Welser-Möst.

Trotz Baugerüst an der Feldherrnhalle: „Klassik am Odeonsplatz“ bietet die atemberaubendste Konzert-Kulisse. © Marcus Schlaf

Weiß-blauer Himmel, ein frisches Lüftchen, keine Fächer oder Sonnenhüte, aber auch keine Regenhäute – ideale Voraussetzungen also für 25 Jahre „Klassik am Odeonsplatz“. Das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks startete am Samstagabend unter der Leitung von Franz Welser-Möst. Der gebürtige Österreicher, der seit 23 Jahren Chef des Cleveland Orchestra ist, holte endlich seinen 2020 ausgefallenen Auftritt bei „Klassik am Odeonsplatz“ nach und konnte bei Prokofjews 3. Klavierkonzert auf die Brillanz von Daniil Trifonov (schon öfter dabei) zählen.

Dass die Optik heuer nicht ganz so spektakulär ausfällt und nur jeweils 7000 statt 8000 Zuhörer in den beiden Konzerten des BRSO und der Münchner Philharmoniker Platz fanden, liegt an der eingerüsteten Feldherrnhalle, deren Renovierung voraussichtlich wohl erst 2027 abgeschlossen sein wird. Aber die Veranstalter – Stadt München und Bayerischer Rundfunk – haben, was Technik, Akustik, Licht und Stream angeht, eine Super-Mannschaft im Einsatz. Sie hatte vor das Gerüst eine Rundbogenbühne gebaut und den Sockel mit gemalten Stein-Leinwänden verkleidet, da fehlten nur die Löwen.

Als Moderator begrüßte Christopher Mann (BR-Klassik) das Publikum, absolvierte mit ihm eine Applaus-Generalprobe und empfing dann BR-Intendantin Katja Wildermuth und den neuen Kulturreferenten der Stadt, Marek Wiechers. Während die Intendantin die einende Kraft der Musik beschwor und auf die weite Verbreitung der Konzerte über die ARD hinwies, bekannte der Kulturreferent, dass er „gerne auf Konzerte gehe“ und erinnerte an die 30 Kulturhäuser in der Stadt München.

Auf der Bühne ließen die BR-Symphoniker und ihre beiden so gar nicht auf Schaueffekte zielenden Star-Mitstreiter, Welser-Möst und Trifonov, Prokofjews C-Dur-Konzert von der Leine. Der Komponist selbst spielte den hochvirtuosen Klavierpart bei der Uraufführung 1921 in Chicago – er mutet, obwohl er dem klassischen dreisätzigen Aufbau folgt, seinen Nachfolgern einiges zu. Trifonov kommt das gerade recht, und so stürzte er sich in Läufe und Akkord-Kaskaden, die er in die Tasten wuchtete. Er jagte vom glitzernden Diskant hinunter in den Bass, meisterte rhythmische Vertracktheiten mit sichtlichem Vergnügen und nutze in den Variationen des zweiten Satzes wie im zweiten Teil des dritten Satzes die Chance zu filigranem Spiel, feinen Trillern und Vorschlägen und sanftem Ausdruck.

Dass man ihm auf der Großleinwand dabei so schamlos naherücken durfte, erhöhte die Bewunderung: Da sah man die fliegenden, kraftvollen Finger, blickte ins hochkonzentrierte Gesicht des sich oft zum „Angriff“ über die Tasten Beugenden, sah ihn zuweilen schmunzeln und gewahrte die Schweißperlen, die die pianistische Schwerstarbeit ihm auf die Stirn trieb. Derweil konnte er sich verlassen auf Welser-Möst, der alle Fäden souverän in der Hand hielt und die engagierten BR-Symphoniker, deren Holzbläser Prokofjews russischer Heimat nachspürten. Das Publikum applaudierte begeistert, und Trifonov spendierte als Zugabe Prokofjews „Visions fugitives“.

Nach der Pause dann ertönte Strauss’sche Walzerseligkeit: Franz Welser-Möst hat aus dem „Rosenkavalier“ eine eigene Suite zusammengestellt, die dem Zuhörer in gut 40 Minuten förmlich die ganze Oper (drei Stunden) präsentiert. Opernkenner erlebten in drei Abschnitten die drei Akte mit Lever, Rosenüberreichung und dem Spelunken-Tohuwabohu samt wunderbarem Schluss. Welser-Möst und das in allen Gruppen fulminante BR-Symphonieorchester kosteten Richard Strauss‘ Klangrausch aus, ließen den Ochs poltern und zauberten die zartesten Pianissimi für Marschallin, Sophie und Octavian in die Abendstimmung. Ein Fest – das mit Johann Strauss‘ Schnellpolka „Unter Donner und Blitz“ augenzwinkernd ausklang.GABRIELE LUSTER

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