Mit spitzer Feder

von Redaktion

Julian Opitz‘ Karikaturen im Münchner Künstlerhaus

Analysiert die Welt mit Stift und Tusche: Julian Opitz. © kjk

„You better touch yourself“. © Julian Opitz

„Weißwurst-Ballerina“. © Julian Opitz

„Weißwurst-Casanova“. © Julian Opitz

„Friedrich ,die Brandmauer‘ Merz“: Da ist bereits ein Stein aus herausgebrochen, die Mauer scheint zu bröckeln. © Julian Opitz

Das Spahnferkel ist wieder da. In der Corona-Zeit hat Julian Opitz das rosarote Mischwesen aus Mensch und Politiker, das verdächtig an den heutigen Vorsitzenden der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Jens Spahn erinnert, in Lederschühchen porträtiert. Ein feinsinniger Kommentar des Münchner Zeichners auf die damaligen Atemschutzmasken-Deals von Spahn. Und heute wieder topaktuell. „Ich bin oft erstaunt, dass die Bilder dann doch eine gewisse Halbwertszeit haben“, meint Opitz trocken in Bezug auf die heutige Debatte um Jens Spahns Verhalten als Gesundheitsminister während der Pandemie. Aus künstlerischer Sicht ein Beleg dafür, wie genau der Zeichner analysiert, was (politisch) in der Welt passiert. Persönlich würde sich Opitz dennoch wünschen, dass so manches Werk bald von der Realität überholt werden würde. Seine Donald-Trump- und AliceWeidel-Karikaturen etwa; oder die Auseinandersetzungen mit dem Nahost-Konflikt, der Frage ums Aufrüsten. Auf den ersten Blick schauen sie lustig aus wie alle seine Karikaturen – wer genauer hinschaut, versteht den gar nicht so fröhlichen Kommentar aufs Zeitgeschehen. Es sind also auch einige giftige Bonbons, die uns Julian Opitz in seiner Ausstellung serviert, die am Donnerstag im Münchner Künstlerhaus startet.

Und doch greift man gerne zu. Anders als die meisten Zeichner der Karikaturen, die man aus der täglichen Zeitungslektüre kennt, wirft Opitz seine Bilder nicht in aller Eile in Schwarz/Weiß aufs Papier. Er nimmt sich oft mehrere Tage Zeit, nutzt Bleistift, Tusche, Buntstift; statt Flächen einfach auszumalen, füllt er sie mit aufwendiger Kreuzschraffur. „Total masochistisch“, kommentiert er das lachend. Aber so hat es nun mal auch schon sein Vater getan, der selbst als Karikaturist tätig war. Opitz erinnert sich noch daran, wie er manchmal unter dem Schreibtisch des Papas lag, wenn der zeichnete, und selbst erste Bilder ausprobierte. Vor zehn Jahren wurde aus der kindlichen Freude eine ernst zu nehmende Karriere. Hauptberuflich arbeitet der Vater von zwei Kindern als Konzepter im Kommunikationsbereich. Viel Computerarbeit. „Irgendwann hat mir das rein Digitale nicht mehr gereicht. Deshalb habe ich wieder angefangen, zu zeichnen. Ganz analog.“

Der Clou sind die hintersinnigen Titel, die er sich für jede Zeichnung einfallen lässt. Das „Mehrschweinchen“ beispielsweise. Ein Meerschwein mit Champagnerglas in der Hand, über dem eigenen Fell noch ein Pelz, an den Pfoten Lederslipper. Ein Kommentar auf das von außen betrachtet ganz schön lächerliche ewige Streben nach Mehr. Opitz wählt gern die Tiere als Stellvertreter für uns alle in seinen Zeichnungen. „Ich möchte mich nicht von oben herab über jemanden lustig machen. Jeder soll sich darin erkennen. Denn das Streben nach mehr liegt ja in uns allen. Gleichzeitig möchte ich es den Betrachtern nicht zu einfach machen, es soll auch süß ausschauen. Tiere bieten mehr Identifikationsfläche als andere Menschen, die einem nicht ähnlich sehen.“

Wohlstand, soziale Ungleichheit, das sind Themen, die oft in seinen Arbeiten vorkommen. Oder unser aller ausartender Smartphone-Konsum, unser Gockeln und Imponiergehabe. Man erkennt sie, die Typen, die sich gerne aufplustern. Und immer auch: sich selbst.

Durch diese bunte Welt, die Opitz mit spitzer Feder kommentiert, tanzen Weißwurstballerinas. Sie waren sein erstes erfolgreiches Motiv. Für 300 bis 400 Euro sind die Originale zu haben. Fast alle gibt es als Prints für den kleinen Geldbeutel. Kluge Kunst mit Widerhaken. Sehenswert.KATJA KRAFT

Bis 14. August

Mo. bis Fr. 9 bis 17 Uhr

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