Weniger ist mehr: Marc Rebillet in Boxershorts und engem Kontakt zum Publikum. © Alexander Scharf/Tollwood
Was war das jetzt bitte? Diese Frage stand etlichen Besuchern des Konzerts von Marc Rebillet auf dem Tollwood-Festival ins Gesicht geschrieben – nach eineinhalb Stunden Chaos, Improvisation und Ekstase.
Es ist wohl das unkonventionellste Konzert in der Musikarena in diesem Jahr – und eigentlich trifft der Begriff „Konzert“ das, was hier passierte, nicht so recht. Die Ausgangsposition: Ein Mann in Unterhose stürmt auf die Bühne, vor ihm ein Synthesizer, jede Menge Rasseln und andere Klein-Instrumente sowie ein Pult, von dem aus er zudem noch Rauch-, Konfetti- und Pyrokanonen bedient. Dazu ein aufblasbares Bühnenbild, das an eine gigantische Hüpfburg erinnert und von dem er immer mal wieder Teile ins Publikum schmeißt.
Mit diesen Utensilien, seiner Stimme und Aufnahmen aus dem Publikum baut Marc Rebillet aus einzelnen Sequenzen, die er in Dauerschleife abspielt, stets neue Songs auf. Doch die Musik steht hier nicht im Vordergrund, es ist eher das gemeinsame Erlebnis, die anarchische Party. Immer wieder verlässt Marc Rebillet die Bühne, nimmt Urschreie der Zuschauer aus der ersten Reihe auf, holt sich Zuschauer auf die Bühne. Die Songs selbst hingegen fallen immer wieder wie ein Soufflé in sich zusammen, nicht jede Improvisation gelingt, Scheitern gehört zum Prinzip Marc Rebillet. Es ist ein Tanz am musikalischen Abgrund – der Künstler stellt für alle Neulinge im Publikum zwischendurch klar: „Alles ist zu jeder Zeit improvisiert, nichts ist vorbereitet.“
Das ist faszinierend, manchmal aber auch etwas anstrengend. So wirkt der Auftritt manchmal schon arg planlos, dass er doch ein wenig dahinplätschert. Erst zum Ende kommt etwas mehr Zug in die Performance. Den Fans im Zelt macht das wenig aus, sie wissen, worauf sie sich hier eingelassen haben, und kommen im typischen Marc-Rebillet-Outfit, im Kimono-artigen Bademantel. Marc Rebillets Humor ist derbe, das F-Wort wird etwas überstrapaziert, das hat etwas von einem ausgedehnten Kindergeburtstag, und genauso ausgelassen feiern die Fans den Auftritt auch. Ein beeindruckendes und teils verstörendes Erlebnis.MARC KNIEPKAMP