Skateboarden im Museum? Warum denn nicht! © Yannick Thedens
Fröhlich scheitern: Diese Tischtennisplatte lädt dazu ein.
Einen Berg aus Lego hat Ólafur Elíasson ausgebreitet. Hier können Besucher eine „Stadt der Zukunft“ bauen. © D. Levene (2)
Die Kreativität fließen lassen können Groß und Klein im Haus der Kunst. © Yannick Thedens
Wie schön das war. Aus Decken, Matratzen und Laken eine Höhle bauen. Kassettenrekorder und Kekse mit hinein – und bis auf Benjamin Blümchen und Bibi Blocksberg mussten alle anderen draußen bleiben. Tschüss, überfordernde Welt, ich mach’ mal Pause. Jetzt ist man leider nicht mehr fünf, sechs Jahre alt und ständig will die Welt doch irgendwas von einem. Das Münchner Haus der Kunst wirft ihr ein kicherndes, schreiendes, gähnendes, fröhliches „Na und?!“ entgegen. Und lädt in ihrer neuen Ausstellung „Für Kinder. Kunstgeschichten seit 1968“ dazu ein, was Künstler Ernesto Neto seit Jahren in unserer überproduktiven Welt proklamiert: „Ich möchte, dass die Menschen Zeit vergeuden!“
Nennen wir es: Zeit verschenken. Denn leichtsinnig verschwendet wird hier nichts. Ein Besuch lädt die Batterien wieder auf wie Benjamin Blümchens Zuckerstückchen. Und obwohl die Schau eigentlich dem Titel entsprechend „Für Kinder“ gestaltet wurde, fühlt man sich auch als Erwachsener sofort hineingezogen. Ach, stimmt ja, da schlummert in uns allen noch das innere Kind. Hier wird es geweckt.
Was in der Kunstgeschichte häufig übersehen wurde, ist, wie viele Künstlerinnen und Künstler speziell für die Jüngsten der Gesellschaft Werke geschaffen haben. Um sie zu präsentieren, haben Andrea Lissoni, der künstlerische Direktor des Haus der Kunst, und sein Kuratorenteam die gesamte Ausstellungshalle am Englischen Garten einmal auf links gedreht. „Wenn sich die Hauptzielgruppe verändert, verändern sich auch die Regeln, was Sicherheit und Aufsicht angeht“, erklären sie. Die wichtigste wird gleich über den bunten Haufen geworfen: Anfassen verboten? Anfassen ausdrücklich erlaubt! Denn man kann die Arbeiten natürlich einzig intellektuell erfassen, die Wandtexte geben ausführliche, spannende Informationen. Oder man erlebt sie emotional und mit allen Sinnen. „Wir wollen weg vom passiven Betrachten, hin zur aktiven Auseinandersetzung“, betont Lissoni.
Da sind wir wieder bei der Höhle aus Kindertagen. Angesichts der Weltlage würde man sie sich am liebsten bauen und darin verschwinden. Einen ganzen Raum hat Eva Kotátková mit Zeitungsseiten tapeziert. Die Artikel verbreiten Schreckensmeldungen, Kurioses, Abstoßendes. Zu viel, zu viel, zu viel auf einmal. Also hinein in das Gemeinschaftswerk von Kotátková und ihrer Tochter Anna. Ein „geheimes Versteck“ unter einem Tisch haben sie geschaffen. Einen sicheren und mutmachenden Rückzugsort.
Oder hinüber in die Installation von Ernesto Neto. In der Ostgalerie leuchtet sein „Uni Verso Bébé II Lab“ in Rot und Grün. Warme Farben, wer seine Schuhe auszieht und in den Kubus hineinschlüpft, taucht ein wie in den Mutterleib. Hier ist jeder Lärm gedämpft, fühlt sich alles wohlig, weich, geschützt an. Eine Einladung, mal wieder seinen Tastsinn zu aktivieren, voller Neugierde.
„Für Kinder“ ist eine Erinnerung daran, wie viel Wissen hängen bleibt und was alles entstehen kann, wenn die Kreativität frei fließen darf, ohne Angst vor Fehlern. Basim Magdy hat eine geniale Konstruktion dazu kreiert. Seine „Pingpinpoolpong“ trägt den Untertitel „Wie ich lernte, über Fehlschläge zu lachen“ – und ermuntert uns genau dazu. Denn bei dieser Mischung aus Tischtennisplatte, Flipper und Billard ist ein problemloses Spiel kaum möglich; zu viele Hindernisse bringen uns zum Scheitern. Mit Kindern aus London hat Magdy ein etwas anderes Regelwerk geschaffen. Statt Strafabzügen heißt es hier etwa: „Feiert zusammen, egal ob ihr gewonnen oder verloren habt.“ Einige Besucher haben es schon ausprobiert. An die Tafel, die an der Wand hängt, können sie ihre Ergebnisse schreiben. Wer gewinnt? Jemand hat eine Antwort notiert: „Love wins.“ KATJA KRAFT
Bis 1. Februar 2026
Mo., Mi., Fr., Sa. 10 bis 20 Uhr,
Do. 10 bis 22 Uhr.