Begeisternder Jazz im Einstein

von Redaktion

Ausgerechnet im Juli, da die US-Jazz-Elite fast vollzählig von Festival zu Festival durch Europa zieht (und dabei gerne auch so manchen Club-Gig mitnimmt), ist die Unterfahrt wegen des Einbaus einer Klimaanlage geschlossen. Damit die Entzugserscheinungen der Jazzgemeinde im Großraum München erträglich bleiben, hat man immerhin eine Handvoll Konzerte ins Kulturzentrum Einstein gebucht. Wie das Quartett von Mark Turner.

Der stilbildende 59-jährige Tenorsaxofonist spielt seit Langem mit Trompeter Jason Palmer, Bassist Joe Martin und Schlagzeuger Jonathan Pinson zusammen. Diese Vertrautheit ist unüberhörbar, führt aber nicht zu Routine, eher zu der Sicherheit, sich improvisatorisch größtmögliche Freiheiten innerhalb eines vorgegebenen Rahmens herausnehmen zu können. Der wird durch Turners Kompositionen gesetzt, oft sehr elaborierte, aus mehreren Themen bestehende Stücke, aus denen die Improvisationen dann geradezu organisch herauszuwachsen scheinen. Oft werden die lang gewundenen Themen von den Bläsern unisono vorgestellt, bis sich die Stimmen allmählich aufspalten, sich kontrapunktisch umspielen oder eine von beiden die solistische Führung übernimmt.

Wie Pinson hinter den Solisten das Metrum camoufliert, ja es aufzulösen scheint, ohne dass der rhythmische Fluss je verloren geht, ist eine Klasse für sich. Diese Musik ist erkennbar durchdacht, aber nicht verkopft, Turners Improvisationen atmen eine kontrollierte Expressivität, Struktur und Spontaneität gehen in diesem Quartett eine Liebesheirat ein.

Auch wenn die Unterfahrt im Juli wie gewohnt ein täglich wechselndes Programm geboten hätte: Ein besseres Konzert als das des Mark Turner Quartetts wäre kaum dabei gewesen. REINHOLD UNGER

Artikel 9 von 11