Liebesträume mit Träne

von Redaktion

Liebe tut weh. Und im ersten Lied von Schumanns „Dichterliebe“ legte Piotr Beczala (Foto: Wilfried Hösl) gleich in klassischer Tenor-Manier ein Schluchzen ins „Herzen“ und „Verlangen“. Doch das war bewusst ein Bild der theatralischen, naiven Frischverliebtheit. Und Auftakt zur beeindruckenden (und stets textklaren, konzentrierten, anstrengungslos raumfüllenden) Reise der Verinnerlichung von erfahrenem Schmerz. Bei der das echte „übergroße Weh“ schließlich fast nur noch gehaucht war.

Beczala nahm bei seinem Festpiel-Liederabend im Nationaltheater die spöttische Schärfe aus Heines ironischen Texten. Er grollte in der Tat nicht passiv-aggressiv. Das war kein Weiden am eigenen Leiden. Die Tränen, im Träumen wie Wachen, flossen viel eher kontemplativ. Am Flügel dazu Helmut Deutsch mit einem Vorsprung an Lebensabgeklärtheit, der großartig alle potenzielle Äußerlichkeit sublimierte, transzendierte. Das Klaviernachspiel war ein Roman für sich.

Darauf konnte nach der Pause ein Strauß von botanisch angehauchten Schumann-Liedern (Nussbaum, Lotosblume, Jasminenstrauch …) nur schön dekorativ wirken. Doch bei der märchenhaften Verwunschenheit der vier Lieder von Mieczysław Karłowicz tat sich wieder Tiefe auf. Und auch wenn als Finale in Griegs op.48/6 die strahlende Verwirklichung aller (bei Schumann/Heine unerfüllten) Frühjahrsliebesträume den Applaus zu Drei-Zugaben-Stärke anfachte: Berückender, berührender war zuvor in „Dereinst, Gedanke mein“ das Versprechen, eine letzte Ruhe ohne Liebe, ohne Pein zu finden.THOMAS WILLMANN

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