ALBUM

Der Volkston trügt

von Redaktion

Manchmal braucht es nur 45 Sekunden wie im Lied „Sehnsucht“. Vom Schatz, der fort ist, kündet hier Johannes Brahms, bei Christian Gerhaher und Gerold Huber tun sich Welten auf. Nach ihrer epochalen Schumann-Box ist das in ewiger Symbiose verbundene Duo quasi einen Komponisten weitergezogen, die Einspielung entstand live im akustisch hervorragenden Reitstadel im oberpfälzischen Neumarkt. Ein heikles Repertoire haben sich beide mit ihrem Album vorgenommen: Der Volkston der Brahms-Lieder ist trügerisch. Was Einfachheit vorgaukelt, entfaltet unter der Oberfläche eine herbe, dunkle Komplexität. Kaum ein anderer kann das so erfühlen und klanglich abbilden wie dieses Duo. Ähnlich wie Schumann verlangt Brahms eher die Draufsicht, Identifikation des Sängers mit den Stücken würde in die Theatralisierung driften. In der mikroskopischen Dichte ihrer Deutungen, in der bestechenden Reflexion vermitteln sie Ahnungen. Die oft schlimmer sein können, als alles offen anzusprechen. TH

Brahms:

Lieder. Christian Gerhaher, Gerold Huber (Sony).


★★★★★ Hervorragend

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