Der neue Chef der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen: Anton Biebl. © Astrid Schmidhuber
Montag, 15 Uhr. Die Museen haben geschlossen, doch Anton Biebl hetzt von Termin zu Termin. Seit 111 Tagen ist er wie berichtet Direktor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Er übernahm den Posten von Bernhard Maaz, der wegen öffentlicher Kritik an der Institution hatte gehen müssen. Von NS-Raubkunst in den Sammlungen, von Sicherheitsmängeln in den Häusern und von Übergriffen zwischen Mitarbeitenden war die Rede. Biebl sollte den Aufklärungsprozess einleiten. Wie geht es voran? Ein schnelles Treffen, bevor seine nächste Telefonkonferenz ansteht.
Sie sollen nicht nur die Missstände in den Staatsgemäldesammlungen aus der Welt schaffen, sondern nebenbei die Museumsoffensive vorantreiben. Darf man sich jeden Ihrer Tage so gehetzt wie heute vorstellen?
Ja, ungefähr. Und einen Teil des Wochenendes auch.
Macht’s noch Spaß?
(Lacht.) Es macht Spaß, ja.
Als Sie Ihr neues Amt angetreten haben: Welche Situation innerhalb der Staatsgemäldesammlungen hatten Sie erwartet – und ist es schlimmer oder besser als gedacht?
Ich kannte lange Zeit nur die Mitteilungen aus der Presse und war der Auffassung, dass diese negativen Schlagzeilen einen Schatten auf unsere Museumsoffensive werfen könnten. Jetzt habe ich eine To-do-Liste, die ungefähr bei 200 Punkten ist. Die werde ich stetig abarbeiten – und bemühe mich, alle dringlichen Dinge vorzuziehen.
Ich nehme an, ganz oben auf dieser Liste steht: Mitarbeitende befragen und nachvollziehen, was eigentlich los ist. Oder?
Richtig. Ich habe die Besprechungskultur verändert. Mir ist Feedback wichtig; dass man Kritik offen äußern kann.
Als Mitarbeiterin könnte ich Sie anrufen und sagen: Herr Biebl, können wir mal sprechen?
Richtig.
Haben das viele gemacht?
Es haben einige gemacht.
Was kam da auf den Tisch?
Themen, die ich zum Teil schon gekannt habe, die mitunter bereits erledigt wurden. Aber ich habe auch Sachen mitbekommen, die man so kurzfristig nicht abstellen kann.
Zum Beispiel?
Von verschiedenen Seiten kam die Kritik, dass ihnen eine übergeordnete Strategie sämtlicher Häuser der Staatsgemäldesammlungen, ein professionelles Projektmanagement fehlt. Deshalb habe ich den Projektplanungsprozess von zwei auf fünf Jahre verlängert.
Projektplanung heißt konkret: Ausstellungen?
Genau. Wenn gemeinsam über alle Bereiche hinweg besser geplant wird, kann man sich besser abstimmen, können Ressourcen besser genutzt werden. Und es entsteht ein einheitlicheres Bild nach außen. Ich verbinde damit auch die Hoffnung, besser auf die bestehende Belastung bei allen Mitarbeitenden reagieren zu können.
All das gab es bisher nicht?
Schon, doch die Planungsphasen waren auf zwei Jahre beschränkt. Große Ausstellungen haben aber einen Vorlauf von vier bis fünf Jahren. Deswegen müssen Sie längerfristige Projektplanung machen. Das steigert auch die Transparenz von Entscheidungen.
Und wie schaut es in Sachen Sicherheit aus? Sind die Mängel behoben?
Die Fälle, die in der Presse genannt worden sind, sind einzeln abgearbeitet worden. Außerdem haben wir die Abteilung Sicherheit zum 1. Juni neu besetzen können. Mir war es wichtig, dass wir auch einen Verhaltenskodex zur Prävention von sexueller Belästigung und Machtmissbrauch einführen. Dass jedem klar ist: Was ist eine Grenzüberschreitung? Was ist Machtmissbrauch? Wo finde ich Hilfe? Welche Verpflichtung trifft die Vorgesetzten? Da sind wir schon sehr weit. Zur Verbesserung der Kommunikation dient auch eine Art Personalversammlung unter dem Titel „Miteinander“. Die beginnt bereits um 8.30 Uhr, denn ich möchte ja auch, dass die Sicherheits-, Kassenkräfte und Aufsichten daran teilnehmen können. Wenn sie zu anderen Zeiten Schichtbeginn haben, können sie das nicht. Die melden sich auch zu Wort und stellen kritische Fragen. Das ist das, was ich mir wünsche: dass man wirklich in einen Austausch kommt. Und das regelmäßig, alle vier bis fünf Wochen.
Welche Themen werden dort angesprochen?
Querbeet: vom Projektmanagement, der Gesundheit bis zur Dienstkleidung der Aufsichtskräfte. Dass die völlig ungeeignet sei. Weil man darin zu sehr schwitzt und Ähnliches.
Was können Sie tun?
Ad hoc ändern kann ich das nicht. Doch ich hatte neulich mit Herrn Hartwig Garnerus, Kunstmäzen und langjährigem Geschäftsführer von der Theo-Wormland-Stiftung, ein Treffen. Und dabei erzählte er mir, dass es das Thema schon mal gab – dann wurden die Sicherheitskräfte von Wormland ausgestattet. Über solche Ideen denke ich nach. Generell versuche ich, auch ungewöhnliche Lösungen zu finden, offen für Kooperationen zu sein.
Und was machen die Untersuchungen in Sachen NS-Raubkunst?
Wir haben seit Februar über 200 Werke in die Datenbank Lost Art neu eingestellt. Drei zusätzliche Stellen wurden für die Provenienzforschung ausgeschrieben. Und wir haben im September voraussichtlich die Ergebnisse der Untersuchungen von unserer externen Expertin Meike Hopp. Ich habe außerdem ein Projekt gestartet zum Thema „Sichtbarmachen“. Ich könnte mir zum Beispiel farbige QR-Codes an den Gemälden in Rot, Orange, Gelb und Grün vorstellen. Wer sie scannt, erhält Informationen darüber, wie die Einordnung nach der sogenannten Provenienzampel zustande gekommen ist und welche Provenienz hinter dem jeweiligen Werk steckt. Ich möchte auch die Bedeutung jüdischer Mäzene und Kunsthändler für die Museen deutlicher machen. Dafür habe ich ein Projekt für Mitte nächsten Jahres geplant, das auch in einer eigenen Ausstellung behandelt werden soll. Also: Es ist einiges gestartet – und ich bin hartnäckig in der Umsetzung von Zielen.