Vor dem Schloss Neubeuern, in dem Hugo von Hofmannsthal gerne seine Sommer verlebte: das „Jedermann“-Ensemble um Heinz Baumgartner (vorne). © Solveig Lindner
Aus der sommerlichen Festspielzeit ist Hugo von Hofmannsthals „Jedermann“ nicht wegzudenken. Wie auf dem Salzburger Domplatz, wo das „Spiel vom Sterben des reichen Mannes“ seit 1920 nahezu ununterbrochen auf dem Spielplan der Festspiele steht (wir berichteten). Für alle, die hier wieder einmal keine Karten bekommen haben, bietet sich nun im benachbarten Inntal eine durchaus reizvolle Alternative.
Bereits zum fünften Mal zeigt die Theatergemeinschaft des „Kulturdorfs“ Neubeuern hier den „Boarischen Jedermann“ und bringt das Stück so im doppelten Sinne zurück zu seinen Wurzeln. Einmal, weil mit der Freiluft-Aufführung die Tradition der mittelalterlichen Jahrmarktsspiele neu auflebt. Aber zusätzlich gibt es auch eine enge Verbindung zu Hofmannsthal selbst, der sich 1906 bei einem Besuch sofort in die idyllische Marktgemeinde verliebte. Über zwei Jahrzehnte war er regelmäßig Gast auf Schloss Neubeuern, wo er nicht nur Zeit mit seiner Muse Ottonie von Degenfeld verbrachte, sondern auch die „Neubeurer Woche“ veranstaltete. Ein Künstlertreffen, das unter anderem Literaturgrößen wie Annette Kolb ins Inntal lockte.
So eine Tradition verpflichtet und animierte auch Heinz Baumgartner, den „Jedermann“ mit einer Gruppe von theaterbegeisterten Freunden 1988 „hoam“ nach Neubeuern zu holen. „Als wir damals dem Bürgermeister unseren Plan vorgestellt haben, waren alle der Meinung, dass wir einen Vogel haben. Aber die Aufführung im Schlosshof hat dann so eingeschlagen, dass wir das 1993 auf dem Marktplatz gleich noch mal größer aufgezogen haben.“ Und mittlerweile ist es tatsächlich bereits das fünfte Mal. Nicht mitgerechnet die Gastspiele, mit denen die ambitionierte Laientruppe im Brunnenhof der Münchner Residenz oder bei den Herrenchiemsee Festspielen das Publikum begeisterte.
Der Erfolg des Neubeurer „Jedermanns“ hat für den künstlerischen Leiter vor allem einen Grund: Authentizität! Und die gewährleistet laut Baumgartner – den man im Ort besser als „an Klarei“ kennt – nicht nur das bayerische Bier, das der Tischgesellschaft serviert wird, sondern gerade die bairische Dialektfassung. „Es is hoid so, wia ma bei uns redt.“ Und die mehr als 100 Mitwirkenden sind auf der Probe alle mit echtem Herzblut bei der Sache. Sei es der international erfolgreiche Unternehmer Anton Kathrein, der ironischerweise den armen Nachbarn spielt, oder Bäckermeister Markus Leitner, der schon zum dritten Mal mit goldener Lederhose in seine Paraderolle als Mammon schlüpft, während der Bruder bei der Technik mit anpackt. „Das sind ganze Familienverbände, bei denen man geächtet werden würde, wenn man nicht mitmacht. Teilweise über Generationen.“ So wie bei Cilla Höhensteiger, die seit 1988 Jedermanns Mutter verkörpert und mittlerweile gemeinsam mit ihrer Tochter sowie dem Enkel und der Urenkelin auf der Bühne steht.
Anders als in Salzburg, wo das gut betuchte Publikum zu gesalzenen Kartenpreisen gepredigt bekommt, dass Geld nicht alles im Leben ist, geht es in Neubeuern nicht um wirtschaftliche Aspekte, sondern an erster Stelle um die Freude am Theaterspielen. Aber eben auch um die Botschaft von Hofmannsthals Text. Daran lässt „der Klarei“ keinen Zweifel. „Es ist schon eine Lebensaufgabe für mich. Nicht bloß wegen der Gemeinschaft, die hier zusammengewachsen ist. Es ist ein Stück, nach dem ich mich auch selber zu richten versuche. Weil ich glaube, dass sich bei der Schluss-Szene viele Menschen was abschauen können. Wenn es um die Frage geht, ob man nur gelebt oder auch etwas bewegt hat.“TOBIAS HELL
Aufführungen
vom 29. Juli bis zum 7. August; Karten: muenchenticket.de.