Nach Italien ist der Komponist nie gekommen. Da hat er was verpasst, wie Markus Thiel weiß. © th
Humor muss er gehabt haben, das hört man ja seiner Musik an. Liebenswürdig war er, auch das ist überliefert. Und beruflich treu: Fast ein Leben lang diente Joseph Haydn den Fürsten der Esterházys, um sehr spät nach London zu touren, wo er als Star verehrt wurde. Aber wie er wohl wirklich war?
Autor Alain Claude Sulzer hat eine Annäherung der anderen Art an den Komponisten unternommen. Für „Haydn!“ bat der Schweizer zwanzig Kolleginnen und Kollegen um Beiträge. Manche erzählen von sich, was tief blicken lässt, aber auch (oder deswegen?) amüsant ist. Hanns-Josef Ortheil beschreibt eine fiktive Begegnung (von der man gern mehr gelesen hätte), Elke Schmitter gibt Haydns Affäre eine Stimme (der Monolog einer unterschätzten Seitenfrau), Bruno Preisendörfer befasst sich mit Haydns Perücke (also mit einer gesellschaftlich geforderten Mode), Franz Hohler unternimmt mit dem Meister eine Kutschfahrt zum Fußball-Länderspiel. Und die schönste Charakterisierung der Musik stammt von Eva Menasse: Sie klinge, „als versuche ein Welpe im Sonnenlicht die Fliegen zu fangen“. Wissen wir nun mehr über Haydn? Egal, Hauptsache, wir haben uns dieses vergnügliches Buch gegönnt. MARKUS THIEL
Alain Claude Sulzer (Hrsg.):
„Haydn!“. Aufbau Verlag, Berlin, 324 Seiten; 26 Euro.