Waldfest in München

von Redaktion

Andreas Gabaliers Regenkonzert auf dem Königsplatz

Munter trotz Regen: die Fans am Königsplatz.

Im Dirndl kamen etliche.

„Zu leise!“ Immer wieder fordert Andreas Gabalier die Fans zum Mitsingen auf. © Martin Hangen

Ja, freilich ist das eine scheene Idee. Eine Welt, in der die Omi Vanillekipferl backt, die Mama dahoam ist, wenn man von der Schule nach Hause kommt. Und der Papa mit ehrlicher handwerklicher Arbeit sein Geld verdient. Am Abend sitzen sie beieinander – „so wie’s früher in der Milka-Tender-Werbung war“. Ja, die „kleine steile heile Welt“, die Andreas Gabalier besingt, die klingt verführerisch wohlig in diesen unruhigen Zeiten. Das Problem ist nur: Es hat sie nie gegeben. Es ist die Behauptung, mit der der selbst ernannte Volks-Rock’n’Roller seit Jahren spielt. Und er tut es wieder am Samstagabend auf dem Königsplatz in München.

Der Funke springt nicht so recht über

Genauso wie er in seinen Liedtexten frühere Zeiten romantisiert, so erklärt er diesen Konzertabend euphemistisch zu einer Show „geballter Lebensfreude“. So richtig ist die im Publikum aber nicht zu spüren. Immer wieder ermahnt er die Fans, die trotz Regen auf den ziemlich vermatschten Platz gekommen sind, lauter mitzusingen. Klappt nur bedingt. Und am besten interessanterweise nicht bei seinen eigenen Liedern, sondern bei nebenbei von ihm angestimmten Stadiongesängen wie „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ oder „Ein Prosit“. Dazwischen wird sich viel unterhalten und immer wieder neues Bier rangeschafft. „Ist ja wie am Waldfest!“, grölt ein Gast seinem Begleiter zu. Na ja, da wird mehr getanzt.

Ein anderer erzählt, dass er bestimmt schon zehnmal auf einem Gabalier-Konzert gewesen sei. „Aber so schlecht war die Stimmung noch nie.“ „Vielleicht liegt’s am Regen“, meint seine Frau. Vielleicht liegt’s aber auch daran, dass Gabaliers Ansagen zwischen den Schlagern von „Obersteirer“ über „Verdammt lang her“ bis „Jukeboxblues“ klingen wie die eines Kommentators aus dem Off, der immer und immer wieder die bisherigen Erfolge des Sängers aufzählt. Nur ist es eben Gabalier selbst, der sich hier beweihräuchert und erzählt, wie häufig ihm die Leute sagten, dass das, was „du, lieber Andreas, machst“, einzigartig sei. Dann wieder ganz bescheiden: „Es liegt nicht an mir, sag ich immer. Es liegt an euch. Danke fürs Dasein.“ Und wenn er dann erzählt, wie er sich bei der Polizei und den Sanitätern dafür bedankt habe, dass ihretwegen alles so friedlich und so rücksichtsvoll verlaufe, erinnert er sich auch daran, was sie darauf geantwortet haben: „So bist du, lieber Andreas.“

Ein dufter Typ also, dieser „steirische Lausbua“. Er weiß, wie er niedlich die Schnute ziehen muss, um auf den Großbildschirmen noch besser auszuschauen. Mit seiner ElvisTolle, den tatsächlich ansehnlichen Waden und den breiten Oberarmen. So viel zur guten alten Zeit: Die Muckis hat er sicher nicht vom Holzhacken. Und wenn er beim „Kaiserjodler“ ermuntert: „Jodelt’s doch mal“, dann wäre das so, wie in Hamburg darum zu bitten, dass jetzt alle Plattdeutsch schnacken: kann kaum einer. Muss auch keiner können. Weil die Welt sich weiterdreht und – so schwierig das manchmal ist – verändert.

Dass er mit Liedzeilen wie „In einem christlichen Land hängt ein Kreuz an der Wand“ (Jubel dafür auf dem Königsplatz) für Diskussionen gesorgt hat; dass ihm wegen eines Albumcovers, auf dem er eine Pose macht, die an ein Hakenkreuz erinnert, eine Nähe zur rechten Szene unterstellt wird; dass sein Männer- und sein Frauenbild arg konservativ sind – all das weiß er, damit eckt er an und damit spielt er. An diesem Abend in München – den er auf Instagram nachmittags gut gelaunt als eine Show „vor historischer Kulisse“ ankündigt – betont er aber neben seinen Erfolgen auch mehrmals, wie sehr es ihn freue, dass seine Fans auf die negativen Schlagzeilen „immer einen Schmarrn“ gegeben hätten. Egal, was all die Leute sagten, er bleibe sich treu, denn: „Ich kann aus meiner Haut net aus.“

Zum Ende hin seine größten Hits, bei denen die Fans endlich mehr aus sich herauskommen: „Hulapalu“ und „I sing a Lied für di“. Und zuletzt: die Ballade für seinen verstorbenen Vater. An einem 2. August habe er seinen Papa verloren, erinnert sich Gabalier. Er hatte sich das Leben genommen; kurze Zeit später auch die jüngere Schwester des Sängers. Einmal mehr betont der 40-Jährige, dass er durch diese Schicksalsschläge zur Musik gefunden habe. Sein „Amoi seg’ ma uns wieder“ bildet wie stets den Abschluss des Konzerts. Verbunden mit seinem Aufruf, die Hoffnung nie zu verlieren. Das lohne sich immer. Dies: nicht bloß Behauptung.KATJA KRAFT

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