UNSERE KURZKRITIKEN

Suche nach Halt

von Redaktion

Eines der berührendsten Gedichte dieses Bands ist nur wenige Verse lang: „In den Schubladen meiner Mutter/ fand ich Luftaufnahmen/ Topografien/ meiner Seele./ Aus der Ferne./ Von oben./ Berührungslos.“ Gad Kaynar-Kissinger ist Professor für Theaterwissenschaft in Tel Aviv und lehrt als Gastprofessor auch an der Münchner Universität. Der 78-Jährige, dessen Eltern 1934 aus Bad Kissingen fliehen mussten, arbeitet zudem als Autor und Übersetzer. „Höchste Gefahr“ versammelt seine jüngste Lyrik erstmals auf Deutsch, übersetzt von Liliane Meilinger. Es sind behutsame, tastende Texte, die immer wieder Halt suchen: in der eigenen Familie, in der antiken Mythologie, in Kunst und Kultur. Darin webt Kaynar-Kissinger aktuelle Reflexionen ein, zu Corona, zum Krieg in der Ukraine, zu Beziehungsfragen oder auch zur Hitze mittags am Times Square. Das ist nie angestrengt, sondern stets mit leichter Hand geschrieben. Die Gedichte sind Miniaturen des Miteinanders. Schmerzhaft zu lesen und deshalb wichtiger Schlusspunkt: „Das Lied von Re‘im“ über den Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023.LEIC

Gad Kaynar-Kissinger:

„Höchste Gefahr“. PalmArtPress, 90 Seiten; 22 Euro.


★★★★☆ Lesenswert

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