Er schließt sein Ensemble an der Starkstrombuchse an: Roberto González-Monjas und das Mozarteum-Orchester. © Marco Borrelli
Irgendwann bleiben nur noch die Mozartkugeln. Die billigen aus der Massenproduktion mit dem vielen Marzipan und/oder die feinen mit dem hohen Nougat-Anteil. Mit Mozarts Musik ist es nämlich bei den diesjährigen Salzburger Festspielen (fast) Essig. Gut, da gibt es ab kommenden Sonntag das semikonzertante „Zaide“Projekt in der Felsenreitschule mit Shooting-Star-Dirigent Raphael Pichon. Aber für den Nimbus der Amadé-Stadt sorgen derzeit nur die Matineen im Mozarteum. Wenigstens die haben es in sich.
Man muss die Sache allerdings so klug aufziehen wie Roberto González-Monjas. Der ist gelernter Violinist und seit einem Jahr Chef des Mozarteumorchesters. Das aktuelle Programm widmet sich Wolfgangs letzten kompositorischen Dingen und verknüpft diese mit dem Freimaurertum. Die Geheimgesellschaft war ja nichts anderes als ein Lions-Club-Vorläufer mit pseudo-religiösem Ritual. Dafür brauchte man entsprechende, feierlich-raunende Kompositionen: Der Maurerischen Trauermusik (hier in einer Bearbeitung mit Männerchor), der Kantate „Die Maurerfreude“, der „Kleinen Freimaurerkantate“ hört man das an, aber auch den Ausschnitten aus „Zauberflöte“ und „La clemenza di Tito“.
Wobei González-Monjas den Stücken zwar Pathos und Pastoses belässt, sein Orchester aber sonst in der Starkstrombuchse verstöpselt. Man höre nur die gern vernudelte „Zauberflöten“-Ouvertüre, hier ein Sturm-Drang-Stück auf Beethoven-Höhe. Enorm weit spreizt sich das Spektrum, zwischen der eher weich und kantabel begonnenen Fuge bis zu Klangüberfällen in den Tutti. Das Orchester sitzt auf der Stuhlkante, auch das Publikum im Mozarteum. Atemberaubend.
González-Monjas und seine Truppe entwickeln in knapp zwei Stunden eine große Lust, Altbekanntes frisch und neu zu hören, vor allem zu empfinden. Die Herrenriege des Salzburger Bachchores lässt sich davon anstecken, gesungen wird mit Verve, doch nie überreizt. Bei González-Monjas darf die Musik atmen, und wenn’s die Dramatik erfordert, muss sie hecheln. Dass Mozart, auch in instrumentalen oder oratorischen Werken, immer Opernmann war, wird in diesem Konzert deutlich. Die Freude, die in der Freimaurerkantate besungen wird, teilt sich fast körperlich mit. Wobei González-Monjas auch ein Sensorium für den Ruhepuls mancher Stücke hat, man höre nur den sehr natürlich geformten Marsch der Priester aus der „Zauberflöte“.
Bogdan Volkov trägt die Hauptsolistenlast. In den Kantaten, aber auch in den Arien als Tamino, Tito oder Ottavio. Mit vollmundigem Ton singt er, sehr textbewusst, die Stimme drängt ins Heldische. Kein Schmalspur-Tenor ist zu erleben, seine Vokalporträts haben Saft, das Fach wird er demnächst verlassen. Mehr als ein Rausschmeißer ist Mozarts Symphonie KV 543. Auch hier gibt es schier unzählige Überrumpelungsmomente. Es ist eine Interpretation, die intelligent die Partitur durchleuchtet, aber vor allem eines vermittelt: welch unglaublichen Spaß diese Musik machen kann.MARKUS THIEL
Aufzeichnung
am 14. September, 20.15 Uhr,
auf ORF III.