INTERVIEW

Franzi hat sich freigeschwommen

von Redaktion

Schwimmstar van Almsick blickt in ARD-Doku auf ihre Karriere

Strahlend schön: Franzi van Almsick. © Rollitz/ASP, dpa

Haben zwei Söhne: Franzi und Jürgen Harder (hier 2013).

Medaille verpasst: van Almsick 2004 bei den Olympischen Spielen in Athen. © Matzke/Sampics

Franzi bei der Schwimm-EM 1992 in Barcelona. Mit gerade mal 14 gewann sie Silber. © Rehder/dpa

Die dreiteilige ARD-Doku weckt bei Franziska van Almsick Erinnerungen. © SWR

Sie war gerade mal 14 Jahre alt, als die Erfolgswelle sie überrollte. Franziska van Almsick, Schwimmwunder aus Ost-Berlin, holte bei den Olympischen Spielen in Barcelona 1992 überraschend Silber über 200 Meter Freistil. Der Startschuss für eine unglaubliche Sportlerkarriere und ein Leben im Rampenlicht, das sie so nie wollte, wie die heute 47-Jährige im Gespräch mit unserer Zeitung sagt. Die dreiteilige ARD-Dokuserie „Being Franziska van Almsick“ widmet sich dem ehemaligen Teenie-Idol, das vor laufenden Kameras pubertierte, Rekorde aufstellte, rebellierte, Triumphe feierte und um einen Wimpernschlag olympisches Gold verpasste. Wie sie in der Rückschau auf ihre Karriere blickt, verrät van Almsick im Interview.

Sie ordnen die Geschehnisse in der ARD-Dokureihe selbst ein. Was war Ihnen wichtig, was sollte gezeigt werden?

Darauf habe ich keinen Einfluss genommen. Ich wusste, dass in meinem Leben viel passiert ist und trotzdem war ich neugierig, was in der Tiefe des ARD-Archivs noch an Ausschnitten und Interview-Material von früher schlummert. Ich wollte mich von den Autoren überraschen lassen und sehen, ob ich wirklich so entspannt bin, wie ich glaube, oder ob dieser Blick in die Vergangenheit mich aufwühlt.

Und – wie lautet Ihr Fazit?

Dass ich aus dieser Zeit gut rausgekommen bin. Es hätte auch in eine ganz andere Richtung gehen können, bei dem frühen Ruhm und all den Dingen, die ich als junges Mädchen erlebt habe. Ich glaube, die Mischung aus Erfolg und Misserfolg hat mir ein persönliches Happy End geschenkt – ohne dass ich tatsächlich ein sportliches Happy End hatte. Das olympische Gold habe ich ja ganz knapp verpasst.

Ab wann wussten Sie: Meine Karriere war großartig – auch ohne olympisches Gold?

Bei der Geburt meines ersten Sohnes. Ich bin ein totaler Familienmensch und wollte immer Kinder haben. Und als ich ihn dann zum ersten Mal im Arm gehalten habe, war vieles nichtig. Dieses Gefühl ist durch keine Medaille zu ersetzen. Ich glaube sogar, dass es mir gutgetan hat zu erfahren, dass man sich nicht alle Wünsche erfüllen kann. Man muss nicht die Beste auf dieser Welt sein, um glücklich zu werden und seinen Weg zu gehen.

Auch Ihre Eltern sind – damals wie heute – in der Doku zu sehen. Wofür sind Sie ihnen dankbar?

Dass sie mir so früh erlaubt haben, unabhängig meine Ziele und Träume zu verfolgen. Dass sie bereit waren, mich loszulassen. Mit zwölf durfte ich mehrere Wochen ins Höhentrainingslager nach Amerika! Ich bin selbst Mutter, mein jüngster Sohn ist jetzt zwölf, der große 18. Und ich weiß wirklich nicht, ob ich dazu bereit wäre.

Würden Sie Ihren Söhnen Ihre Karriere wünschen?

(Lacht.) Das ist eine gute Frage! Ich liebe Sport und auch Leistungssport. Und ich glaube, dass Sport einen formt. Um erfolgreich zu sein, musst du Risiken eingehen, hart arbeiten, einstecken. Das Leben ist nicht immer nur schön oder geht bergauf. Aber es ist nicht schlimm zu fallen. Man wird stärker, wenn man wieder aufsteht. Das sind Erfahrungen, die ich meinen Söhnen wünsche.

Trotz der Negativschlagzeilen, die Sie in Ihrer Karriere aushalten mussten?

Ich glaube, was zu meiner Zeit noch gravierend anders war, war der Medienrummel. Diese Dauerpräsenz der Boulevardpresse, die mich belagert hat. Heute haben die Medien dazugelernt und erkannt, was früher schiefgelaufen ist. Ich hoffe einfach, dass so verletzende Dinge, wie sie 2000 über mich geschrieben wurden, nicht mehr passieren. Das war sehr unter der Gürtellinie.

Die „B.Z.“ titelte damals bei den Olympischen Spielen in Athen „Franzi van Speck“ und bezeichnete sie als Molch. Schmerzt Sie das bis heute?

Gott sei Dank konnte ich das schon vor vielen Jahren loslassen. Natürlich hat diese Schlagzeile Narben hinterlassen. Und vergessen werde ich das nicht. Aber ich bin heute auch der Mensch, der ich bin, weil das alles passiert ist. Oder anders gesagt: Es hat diese Doku nicht gebraucht, um mich zu heilen oder etwas aufzuarbeiten.

Sie hatten sich damals gerade aus einer Essstörung gekämpft. Wie gehen Sie heute mit dem Thema um?

Eine Essstörung ist nichts, was man irgendwann abhakt, aber ich habe aus der Vergangenheit gelernt. Wenn ich heute anfange, mit dem Essen rumzuspinnen, ist das ein Warnsignal, besser auf mich zu achten, weil gerade viel Stress ist oder ich zu viele Sachen im Kopf habe oder es mir einfach nicht gut geht. Ich kann die Zeichen deuten.

Für die Doku sind Sie ins Wasser gestiegen und es sieht immer noch so aus, als könnten Sie sportliche Höchstleistungen vollbringen. Wann haben Sie zuletzt die Zeit über 200-Meter-Freistil genommen?

(Lacht.) Das traue ich mich nicht, da wäre die Enttäuschung zu groß. Technisch mache ich sicher noch eine gute Figur, konditionell ist das aber nichts mehr. Wenn ich im Fitnessstudio bin und feststelle, dass ich statt 20 nur noch zwölf Liegestützen schaffe, ist das für mich schon schwer zu verkraften.

Mit Ihrer Familie leben Sie heute in Heidelberg, wo Sie „eine von vielen“ sind, wie es an einer Stelle in der Doku heißt…

Schon früher habe ich immer gesagt: Ich will eigentlich nur schwimmen. Alles andere ist dann einfach passiert. Es ist natürlich albern zu behaupten, dass ich in den 20 Jahren seit meinem Karriereende ein normales Leben geführt habe. Ich bin ganz weit weg von normal. Aber ich habe hart an mir gearbeitet, damit ich niemanden mehr brauche, der mir Beifall klatscht. Hin und wieder trete ich ins Rampenlicht, wenn ich etwas zu erzählen habe oder mich für die gute Sache starkmachen kann – wie für meine Stiftung, die sich dafür einsetzt, dass Kinder früh schwimmen lernen.

Welche Rolle spielt das Wasser noch in Ihrem Leben?

Ich bin tatsächlich ein bisschen wasserscheu geworden. (Lacht.) Was vor allem daran liegt, dass ich zum Schwimmen ein paar Meter brauche. Aber ein 25- oder 50-Meter-Becken habe ich nicht im Garten, und so groß sind auch die meisten Hotelpools nicht. Ansonsten ist Sport immer noch mein Leben und ich muss mich bremsen, weil ich sonst den ganzen Tag im Fitnessraum verbringen könnte.

Sendehinweis

„Being Franziska van Almsick“ ist ab 4. September in der ARD-Mediathek abrufbar, die erste Folge läuft am 21. September um 14.50 Uhr im Ersten.

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