Eigentlich wollte Honey ja „Business-Frau“ werden. Aber dann wurde sie Alleinerziehende mit vier Kindern von drei Männern. Vielleicht verkracht sie sich deshalb so gern mit ihren Freundinnen, die tatsächlich Karriere gemacht haben. Zudem ist sie genervt von ihrer betulich-maliziösen Mutter und enttäuscht von ihrer pubertierenden Tochter, die eher nach der Oma kommt.
Sonja Rupp verkörpert als sehr präsente Solistin nicht nur die Titelheldin, sondern sämtliche Figuren in Tove Appelgrens Ein-Frau-Stück „Honey“. Mehr als einen schwarzen Stuhl auf einer schwarzen Bühne braucht es dafür nicht, denn das Ereignis des Abends sollen ja die Schauspielerin und der Text sein im Theater… und so fort, wo Regisseur Andreas von Studnitz das Stück der finnischen Autorin auf Bairisch inszenierte. Wobei Sonja Rupps volksstückhaft-robuster Darstellungsstil der Hauptfigur schon die Intensität des Unmittelbaren gibt, aber Nebenfiguren wie die Oma oder der Psychotherapeut mit dem slawischen Akzent gelingen ihr fast besser: weil sie hier keine Angst hat zu chargieren, chargiert sie plötzlich nicht mehr.
Interessant ist der so unterhaltsame wie spannende Abend allerdings auch durch die Behandlung des Dialekts: Die aus dem Chiemgau stammende Schauspielerin lässt ihre Honey kein Münchnerisch sprechen, obwohl die Handlung in der Landeshauptstadt spielt. Vielmehr redet sie ein dezidiert ländliches Bairisch („Ich kimm ma grad fia“), das aber durch die genau beobachteten Entfremdungsspuren verhunzt ist, die der heutige Medienkonsum in der Mundart mancher Milieus hinterlässt: Plötzlich knallen da Imperfekt-Formen rein, wo das Bairische nur das Perfekt kennt, und am schlimmsten sind die völlig dialektfremden Infinitivkonstruktionen („a Kind zum kriang“), bei denen man als hellhöriger Native Speaker vor Schmerz aufschreien möchte.
Gerade durch diese sprachlichen Verwerfungen, diesen enteigneten „Heimatsound“, wird das Solostück zum aufschlussreichen Soziogramm: Im fremdbestimmten Dialekt spiegelt sich am deutlichsten die fremdbestimmte Existenz einer alleinerziehenden Hartz-IV-Empfängerin, die sich als Emanzipation schönzureden versucht, was in Wirklichkeit nur eine Lebensgeschichte der Überforderung ist. Kräftiger Beifall.ALEXANDER ALTMANN
Weitere Vorstellungen
am 29., 30. und 31. August; Karten unter www.undsofort.de.