Die neue Lust auf Odysseus

von Redaktion

Homers Epos boomt – ob im Kino, auf dem Buchmarkt oder in der Oper

An der Bayerischen Staatsoper lief im Juli Faurés „Pénélope“ mit Victoria Karkacheva und Brandon Jovanovich. © Bernd Uhlig

Ein Jahr, bevor der Film in den Kinos anläuft, halten manche ihn schon jetzt für das größte Kinospektakel 2026. Im Werk von Regisseur Christopher Nolan (55) geht es um nichts Geringeres als eine der legendärsten und ältesten Geschichten der Menschheit: die dem antiken Dichter Homer zugeschriebene „Odyssee“. Irgendwo zwischen königlichem Helden und schlitzohrigem Hochstapler, sich sorgendem Vater und notorischem Schürzenjäger, verkörpert Odysseus eine der komplexesten Gestalten der altgriechischen Literatur.

Von Krieg und Reise traumatisierter Held

Berühmt wird Odysseus, weil er es ist, der mit seinen Kriegern im Bauch des legendären Holzpferdes sitzt, das die Griechen ihren trojanischen Feinden schenken. Erst durch diese List überwinden die Angreifer nach zehn Jahren Belagerung endlich die Mauern des als uneinnehmbar geltenden Troja. Wegen seiner Selbstüberschätzung vom Meeresgott Poseidon bestraft, muss sich Odysseus ab dann in einer zehn Jahre dauernden Irrfahrt über die Meere gegen den Groll der Götter, Monster und Stürme, liebliche Versuchungen und manch moralisches Dilemma durchsetzen.

Mit seiner Ankunft auf Ithaka setzt Uberto Pasolinis Film „The Return“ (2024) ein, der hierzulande bisher ein Nischendasein fristet. Gezeichnet wird hier ein von Krieg und den Strapazen der Reise traumatisierter Held. Gespielt wird dieser von einem drahtig-muskulösen Ralph Fiennes, der sich auf seiner Insel nun gegen die Freier um die loyale Penelope (Juliette Binoche) behaupten muss. Es kommt zu Rache und Blutbad.

Auch der britische Komiker und Schauspieler Stephen Fry (67) kann dem antiken Stoff nicht widerstehen. Seine bisherige Mythen-Trilogie („Mythos“, „Helden“, „Troja“) erweitert er um einen vierten Band. Mitte Oktober wird seine „Odyssee“ auch auf Deutsch erscheinen. „Er ist clever, er ist gerissen, er ist schlau“, bewundert der Autor seinen Helden in einem Interview. Von allen Figuren der griechischen Mythologie passt er wohl am besten zu Frys saftiger Sprachlust und mitreißendem Schalk. Weil Fry auch etwa die Nach-Troja-Heimkehr des Griechenkönigs Agamemnon (der zu Hause von seiner Frau Klytaimnestra ermordet wird) oder des Trojaners Aeneas (der nach einer eigenen Irrfahrt schließlich zum Gründervater Roms wird) beschreibt, wirkt sein Buch zuweilen überfrachtet. Was allerdings stärker aufstößt: Er macht den Fehler vieler früherer „Odysseus“-Adaptionen, indem er für die Erhöhung seines Helden die Frauencharaktere zu abhängigen und unselbstständigen Nebenfiguren degradiert. Dabei hätte Fry doch mit einem feministischeren Ansatz etwa über Margaret Atwoods „Die Penelopiade“ (2005) durchaus zu einer komplexeren Deutung Homers finden können.

Einer solchen geht immerhin die deutsche Autorin Ulrike Draesner nach (siehe oben). In ihrem sogenannten Post-Epos „penelopes sch()iff“, das dieser Tage erscheint, erzählt sie in durchaus herausfordernder Versform von „jenem dunklen Raum, in dem üblicherweise nur noch Abspann läuft“.DPA

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